Frage an Hans-Martin Haller von Aaron D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Haller
Aufgrund der anstehenden Landtagswahlen in meinem Wahlkreis habe ich mich im Internet über verschiedene Kandidaten schlau gemacht. Ihre Sicht der Dinge bezüglich vieler Themen und die politischen Interessen, die sie anstreben sagen mir sehr zu. Jedoch sind sie offensichtlich ein sehr beschäftigter Mann. Sie sind neben ihrem politischen Engagement Oberstudienrat einer Schule, Aufsichtsrat der Volksbank Tailfingen und Aufsichtsrat der Zollernalb Klinikum gGmbH.
Vielleicht überschätze ich die Arbeit die man als Oberstudienrat oder Ausichtsrat hat (ich kenne mich damit nämlich nicht sehr aus), aber ich frage mich ob sie all diesen Aufgaben gerecht werden können und dabei noch genug Zeit übrig haben für ihre politischen Aufgaben.
Könnten sie evtl. einmal auflisten wieviel Arbeitstunden sie jede Woche für diese und andere Aufgeben (Pflegen sozialer Kontakte, Beantworten von Post emails, ...) investieren? Ich weiß, dass eine genaue Auflistung unmöglich ist, aber ich wäre froh über einen groben Überblick.
Vielen Dank für ihre Zeit im Voraus und Verzeihung wenn die Frage zu persönlich sein sollte.
MfG, -Aaron
Sehr geehrter Herr Deschler,
vielen Dank für Ihre Frage - mit der ich keinerlei Problem habe.
Es ist in der Tat schwierig, präzise Stundenangaben zu geben. Weil es - wie Sie richtig anmerken - ja nicht damit getan ist, Sitzungsdauern zusammen zu zählen. Gremienberatungen machen letztlich nur den kleineren Teil gerade der politischen Arbeit aus.
Um mich dennoch an einer Schätzung meiner Wochenarbeitszeit zu versuchen: 60 Stunden, mitunter auch an die 70 Stunden dürften schon zusammen kommen. Ein entsprechendes Pensum bin ich allerdings spätestens seit meiner Zeit als Albstädter Oberbürgermeister gewohnt. Und ich sehe bei vielen Landtagskollegen aller Parteien, dass sie Vergleichbares bewältigen.
Ich selbst bin in vielerlei Hinsicht in einer glücklicheren Lage als Landtagskollegen, die "neben" ihrem Abgeordnetenmandat noch die Geschicke einer Stadt als Bürgermeister oder eines Landkreises als Landrat zu lenken haben.
Meinen Lehrauftrag am Gymnasium Ebingen habe ich 2001, nach meiner Wahl in den Landtag, nämlich bewusst reduziert: Seither komme ich einem halben Lehrauftrag nach, was 12 bis 13 Unterrichtsstunden in der Woche entspricht. Dazu kommt die Unterrichtsvor- und Nachbereitung (Korrekturen, ...).
Nicht zuletzt dank der Kooperationsbereitschaft meiner Schule, des Zollernalbkreises, dessen Kreistag ich angehöre, und der Kolleginnen und Kollegen in den beiden Aufsichtsräten gelingt eine Termingestaltung, die mit meinen Sitzungsverpflichtungen als Abgeordneter "kompatibel" ist: Wie Sie entsprechenden Sitzungsplänen unter http://www.landtag-bw.de/aktuelles/termine/index.asp entnehmen können, sind für Plenarsitzungen des Landtags, für Sitzungen der Landtagsausschüsse (ich gehöre dem Finanzausschuss und dem Ausschuss für Umwelt und Verkehr an), der Arbeitskreise der entsprechenden Fachpolitiker meiner Fraktion und Sitzungen der Landtagsfraktionen Mittwoch und Donnerstag ganztags und der Dienstagnachmittag reserviert.
Unterricht am Gymnasium erteile ich im laufenden Schuljahr am Montagvor- und -nachmittag sowie am Dienstagvormittag. Sitzungen des Kreistags, seiner Ausschüsse und der SPD-Kreistagsfraktion, der ich vorstehe, finden am frühen Montagabend statt. So weit greift also alles ineinander. Und auch die Terminierung der Aufsichtsratssitzungen ist auf die Sitzungspläne des Landtags usw. abgestimmt, die ich langfristig im Voraus den Verantwortlichen zur Verfügung stelle, um Kollisionen zu vermeiden.
Wie bereits erwähnt, ist es mit der "bloßen" Anwesenheit bei Sitzungen natürlich nicht getan: Ich will versuchen, an einem Beispiel, das auf keiner Sitzungs-Tagesordnung aufgetaucht ist und schon gar keine Schlagzeilen gemacht hat, zu verdeutlichen, was die Abgeordnetenarbeit nach meinem Verständnis zuvorderst ausmachen muss:
Ende letzten Jahres hat mich ein Schreiben des Schömberger Bürgermeisters erreicht. Das Anliegen war, auf die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg einzuwirken, damit diese von ihren Plänen Abstand nimmt, die Rentenberatung im Oberen Schlichemtal einzustellen. Kommt ein solches Anliegen auf den Tisch, stellt sich die Frage "Was tun?" Es ist zu recherchieren, wo der Hebel anzusetzen ist: Es nützt nichts, blind irgendwelchen Aktionismus anzuzetteln; man muss schon "den Richtigen" greifen . Letztlich habe ich mich mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg in Verbindung gesetzt, ihm den Sachverhalt und Argumente für die Fortsetzung des Beratungsangebots im Oberen Schlichemtal auseinandergesetzt. Ergebnis: Die Deutsche Rentenversicherung will einen Kompromiss eingehen, mit dem der totale Kahlschlag vom Tisch ist.
Beispiele wie dieses gibt es zuhauf: Konkrete Anliegen von Kommunen, Verbänden, Unternehmen und einzelnen Bürgern meines Wahlkreises kommen auf den Tisch. Um ihnen gerecht zu werden, bedarf es der Kenntnis der Sachverhalte und der Recherche in bezug auf Argumente und nützliche Kontakte. Entsprechende Arbeiten bewältige ich nicht als "Einzelkämpfer": Zwei zuverlässige Mitarbeiter unterstützen mich bei der Klärung von Sachverhalten, der laufenden Informationsgewinnung und der Pflege von Kontakten zu Ministerien, sonstigen Behörden usw.
Diese Zuarbeit erfahre ich insbesondere auch, wenn es um den Einsatz für Straßenbauprojekte geht, dem meine besondere Aufmerksamkeit gilt: Hinter aktuellen Erfolgen wie dem Einstieg in die Planung der Ortsumfahrung Lautlingen steckt die Arbeit von Monaten und Jahren. Das Gleiche gilt für die Planungsmöglichkeit für die Ortsumfahrung von Schömberg, die in dem im Oktober 2004 in Kraft getretenen neuen Bundesverkehrswegeplan verankert worden ist, obwohl es zunächst nach einem pauschalen "Stopp" aller Planungen bis 2015 ausgesehen hat. Meine Mitarbeiter bereiten für mich Gesprächstermine in Berlin, Stuttgart oder im Tübinger Regierungspräsidium vor, unterstützen mich bei der Auswertung von Dokumenten, der Prüfung von Daten, die bei der Bewertung von Projekten zugrunde gelegt werden, bei der Formulierung von Landtagsinitiativen usw.
Sehr geehrter Herr Deschler, ich hoffe, ich konnte Ihre Frage einigermaßen zufrieden stellend beantworten.
Ergänzen möchte ich noch, dass ich es einerseits bei Anliegen aus dem Wahlkreis mit einer großen Themenvielfalt zu tun habe. Andererseits kommt es darauf an, nicht den "Hansdampf in allen Gassen" zu geben, sondern klare Prioritäten zu setzen: Dass die fachlichen Schwerpunkte meiner Parlamentstätigkeit meinen Neigungen, meinen durch langjährige Erfahrung geprägten Interessensgebieten und den aus meiner Sicht für unseren Wahlkreis wesentlichen Aufgabenfeldern entsprechen, ist für meine Motivation ganz wichtig. An der Verkehrspolitik und der Finanzpolitik hängt einfach auch ein bisschen Hallersches Herzblut. Das sorgt dafür, dass ich einfach auch Freude habe an meiner Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Martin Haller