Frage an Hans Joachim Stockschläger von Christian H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Stockschläger,
in den letzten Jahren sind die Probleme von Jungen im Schul- und Bildungswesen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Zahlreiche Berichte in den Medien und eine ganze Reihe von Büchern (wie z.B. „Rettet unsere Söhne“) greifen das Thema auf.
Seit Ende 2007 eine vom Bundesbildungsministerium veröffentlichte Studie eindeutig die schulische Benachteiligung von Jungen belegte (im Schnitt schlechtere Noten für gleiche Leistungen, seltenere Empfehlung zum Besuch von Gymnasien als bei Mädchen), sollte das Problem auch in der Politik allgemein bekannt sein.
Von konkreten Schritten zur Behebung der Bildungsmisere von Jungen seitens der Politik konnte bislang jedoch noch nicht die Rede sein, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. So wird der Girls’ Day, obwohl nachweisbar erfolglos und sogar kontraproduktiv, weiterhin üppig mit Steuermillionen gefördert. Projekte, die die Zukunftsaussichten von Jungen verbessern helfen, sucht man hingegen vergeblich; oft laufen sie nicht auf die Förderung von Jungen heraus, sondern auf deren Umerziehung („Neue Wege für Jungs“).
Angesichts dieser Misere interessiert es mich, wie Sie das Problem beurteilen und welche Maßnahmen Sie befürworten, um die Jungenmisere zu beheben. Konkret gefragt:
1. Sind Sie der Ansicht, dass die Politik mehr für die schulische Förderung von Jungen tun muss, oder sehen Sie hier keinen Handlungsbedarf?
2. Falls Sie für verstärkte Jungenförderung eintreten: Welche konkreten Schritte würden Sie und Ihre Partei in die Wege leiten, damit Jungen im Bildungssystem bessere Erfolgschancen bekommen – natürlich ohne dabei wiederum die Mädchen zu benachteiligen?
Für die Beantwortung meiner Frage danke ich Ihnen im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Heier
Sehr geehrter Herr Heier,
herzlichen Dank für Ihre Fragen.
Zu 1)
Ich bin der Meinung, dass Politik und Gesellschaft mehr für die schulische Förderung von Jungen tun muss.
Dieses Thema habe ich im Übrigen in einem kurzen programmatischen Diskussionsbeitrag auf dem Parteitag der Mönchengladbacher FDP am 27. Mai 2009 angesprochen.
Ich habe als Vater zweier Jungen das eine oder andere Problem sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule selber erlebt.
Dies leitet zur Antwort zu 2) über.
Die beste Maßnahme ist für mich die Schaffung männlicher Bezugspersonen. Ich habe es an "meiner" Grundschule als nicht positiv erlebt, dass hier nur Lehrerinnen waren. Doch die Schule selbst traf keine Schuld - Grundschullehrer sind leider sehr rar. Gottseidank habe ich engagierte Pädagoginnen angetroffen, die in der Lage waren, auf die spezielle Problematik der Jungen einzugehen.
Ohne mehr männliche Lehrer, Erzieher etc. bleibt aber eine Chancenungleichheit in den ersten Bildungsjahren bestehen.
Die angesprochene Problematik hat die FDP übrigens bereits in ihrem "Wechsel-Lexikon" zur Bundestagswahl 2005 aufgegriffen. Dort finden Sie die Passage:
"Besonderes Augenmerk ist auf eine gendersensible Pädagogik zu legen, die auf die unterschiedlichen Lernweisen und Interessen von Mädchen und Jungen adäquat eingeht. ... Der frühkindlichen Bildung kommt darüber hinaus, wie anderen Bildungsinstanzen, die Aufgabe zu, gleichberechtigte Lebensmuster für Mädchen und Jungen zu vermitteln. Dazu gehört, dass mehr Männer für dieses Arbeitsfeld gewonnen werden, damit Jungen in Kindergärten männliche Identifikationsfiguren erleben."
Und Sie haben sicherlich wahrgenommen, dass die FDP-Bundestagsfraktion am 17.12.2008 eine Kleine Anfrage "Bildungs- und Entwicklungschancen von Jungen" auf den Weg gebracht hatte. Ich füge dieses Dokument meiner Antwort bei.
Generell müssen wir meiner Meinung nach im Bildungssystem vieles neu bewerten und dann auch politisch bewegen. So denke ich gehören die besten Lehrer an den Anfang der schulischen Laufbahn. Ich halte auch die jetzige Gehaltsstruktur von Lehrern für ungerecht. Warum werden Grundschul- und Hauptschullehrer von Grund auf schlechter bezahlt als z.B Gymnasiallehrer?
Ich freue mich über jeden männlichen Lehramtsstudenten, der sich für den Grundschulbereich entscheidet. Die Zahl derjenigen lässt sich aber wohl nur mit der angesprochenen Neubewertung im Bildungssystem steigern.
Ach ja, natürlich sollte aus dem "Girls Day" ein "Youth Day" (oder als deutschsprachige Vorschläge: Tag der Neugier, Tag der Jugend o.ä.) werden. Die FDP-Bundestagsfraktion ist derselben Meinung und hat in diesem Jahr bei sich den "Boys- und Girls-Day" durchgeführt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Joachim Stockschläger