Frage an Hans-Joachim Otto von Werner S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Otto,
wiederholt hat die Bundesrepublik die Rückgabe von sogenannter "Beutekunst" von Russland gefordert. Weshalb eigentlich gibt die Bundesrepublik nicht ägyptische Kunst wie z.B. díe Nofrete sofort und vorbehaltlos an Ägypten zurück? Die "Ausfuhr" seinerzeit wurde doch nur unrechtmäßig von einer schwachen und abhängigen Kolonialverwaltung gebilligt. Kann aus Diebstahl ein Eigentumsanspruch entstehen?
Mit besten Grüßen
Werner Sielmann
Sehr geehrter Herr Sielmann,
vielen Dank für Ihre Frage vom 16.11.2008.
Grundsätzlich ist es unbestritten, dass die Nofretete von unschätzbarem Wert ist und als Erbe der gesamten Menschheit gesehen werden kann. Sie zu erhalten, zu bewahren und ihre Schönheit den Menschen zugänglich zu machen, muß das Ziel unserer Politik sein. An der Rechtmäßigkeit des Erwerbs der Nofretete bestand im Ausschuss Kultur und Medien des Deutschen Bundestages nie ein Zweifel, da der Weg von der Ausgrabungsstätte nach Berlin ausführlich dokumentiert worden ist und in allen Einzelheiten belegt werden kann. Auch die ägyptische Regierung hat die Rechtmäßigkeit des Übergangs der Büste in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nie infrage gestellt.
Dieser Vorgang läßt sich also nur kaum mit der Diskussion um die Rückführung von kriegsbedingt verschleppten Kunstobjekten aus Rußland vergleichen. Obwohl in den letzten Jahrzehnten bereits einige Kunstwerke von beiden Seiten zurückgegeben wurden sind, gibt es noch viele hunderttausende völkerrechtswidrige insbes. nach Rußland verbrachte Exponate, die dort z. T. völlig unsachgemäß gelagert werden, so daß deren Zerstörung droht. In dieser Auseinandersetzung hat sich in den vergangenen Jahren vor allem das in den neunziger Jahren verabschiedete russische "Beutekunstgesetz" als hinderlich erwiesen, das nahezu alle kriegsbedingt aus Deutschland verbrachten Kulturgüter zum Eigentum der Russischen Föderation erklärt hat. Dieses Gesetz verstößt damit gegen das international geltende Völkerrecht. Ebenso werden zwei völkerrechtlich verbindliche Verträge zwischen Deutschland und Rußland aus den Jahren 1990 und 1992 bislang nicht von der russischen Regierung umgesetzt. Hier muß die Politik weiterhin einvernehmliche Lösungen anstreben.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto