Frage an Hans-Joachim Otto von Mike S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Otto,
die Rentenkasse ist leer. Die Finanzlöcher werden nur notdürftig gestopft. Daher mache ich mir ernsthaft Sorgen ob ich als heute 30-jähriger überhaupt noch was davon habe. Ich sorge privat vor und investiere somit zusätzlich einen Teil meines Netto-Gehalts. Hier kann ich davon ausgehen, dass ich mit einer wesentlich höheren Rendite rechnen kann als es bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist. Wie kann man Ihrer Meinung nach das Rentensystem sinnvoll reformieren? Und wieso bekomme ich einen Zwischenbescheid von der BfA in dem man stetig steigende Renten ankündigt (+ 2,5%)? Das ist doch völlig unrealistisch!
Mike Smith
Sehr geehrter Herr Smith,
angesichts der demographischen Entwicklung ist es notwendig (und übrigens auch effizienter), das Rentensystem stärker auf private Versicherungen zu stützen. Die private Vorsorge hat für die FDP Priorität. Fair ist Politik nur, wenn sie fair zwischen den Generationen ist. Die demographische Entwicklung und die politisch gewollte Umverteilung innerhalb der Sozialversicherung haben den Generationenvertrag in eine Existenzkrise geführt.
Politische Notoperationen ohne Systemwechsel sind untauglich. Sie sind unfair gegenüber der jetzigen Rentnergeneration, weil sie in Ansprüche eingreifen, die die Rentner im Vertrauen auf eine verläßliche Rente durch ihre Arbeit erworben haben. Sie sind unfair gegenüber der arbeitenden Generation, weil sie bei den Beiträgen weder Stabilität noch Entlastung bringen. Sie sind unfair gegenüber der jungen Generation, weil sie soziale Sicherheit nicht zukunftstauglich machen.
Zur aktuellen, auf der wirtschaftlichen Stagnation beruhenden finanziellen Krise der Rentenversicherung treten ab 2010 aufgrund der Alterung der Bevölkerung weitere, strukturelle Belastungen hinzu. Eine höhere Belastung der Rentenkasse gegenüber früheren Jahren ergibt sich bereits heute daraus, daß die Menschen länger leben und damit länger Rente beziehen als früher. Seit der Einführung der umlagefinanzierten Rente im Jahre 1957 ist die Lebenserwartung um mehr als acht Jahre gestiegen und wird weiter steigen. Die daraus resultierende längere Rentenbezugsphase muß gegenfinanziert werden. In etwa zehn Jahren beginnt daneben die Zahl der Beitragszahler deutlich zu schrumpfen.
Die deutsche Rentenpolitik bedarf einer schnellen und nachhaltigen Reform. Die in der Umlage finanzierte gesetzliche Rente kann aufgrund steigender Rentenbezugsdauer einerseits und sinkender Anzahl von Beitragszahlern andererseits in Zukunft immer weniger alleine die Rolle der Lebensstandardsicherung übernehmen.
Die FDP hat angesichts dieser Herausforderungen schon länger auf die Notwendigkeit hingewiesen, zügig eine steuerlich geförderte, kapitalgedeckte private Alterssicherung aufzubauen. Die betriebliche und private Altersvorsorge wird künftig eine tragende Rolle bei der Lebensstandardsicherung einnehmen. Der Aufbau privater und betrieblicher Altersvorsorge blieb unter Rot-Grün ungenügend. Die Riesterrente wird von den Bürgern in zu geringer Zahl in Anspruch genommen. Ende 2004 hatten "mit abnehmender Tendenz" nur etwa 15 Prozent der Förderberechtigten Riesterverträge abgeschlossen.
Langfristiges Ziel liberaler Rentenpolitik ist, daß die private und betriebliche Vorsorge nach einer Übergangsphase die gesetzliche, umlagefinanzierte Rentenversicherung so ergänzt, daß individuelle Vorsorge und gesetzliche Rente je etwa zur Hälfte zur Alterssicherung beitragen. Die Förderung muß dabei allen steuerpflichtigen Bürgern offen stehen, für ein breites Spektrum an Vorsorgeprodukten angelegt sein und darf keine bürokratischen Hürden beinhalten. Die private und betriebliche Altersvorsorge muß dabei so eingerichtet sein, daß sie den Bedürfnissen moderner Erwerbsbiographien mit wechselnden Arbeitgebern und Beschäftigungen gerecht werden. Bisher ist beispielsweise die Übertragbarkeit von Ansprüchen aus einer Betriebsrente auf einen neuen Arbeitgeber noch immer unbefriedigend geregelt. Daher soll ein individuelles Altersvorsorgekonto als staatlich anerkanntes Instrument der kapitalgedeckten Altersvorsorge eingeführt werden. Dieses Konto erfaßt alle Formen individueller und kapitalgedeckter Altersvorsorge. Das Altersvorsorgekonto ermöglicht den Bürgern bei Wechsel des Arbeitsplatzes erworbene Ansprüche mitzunehmen.
Zu dem Schreiben, daß Sie von der BfA erhalten haben, will ich mich nicht äußern, da ich es ja nicht kenne. Es wäre aber Ausdruck einer mentalen Blockadehaltung, hätte die BfA noch nicht die schwerwiegenden finanziellen und strukturellen Probleme im Bereich der Rentenversicherung erkannt. Ich vermute allerdings eher, daß die BfA diese Probleme kennt, aber verschweigt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto