Frage an Hans-Joachim Otto von Bastian B. bezüglich Kultur
betr. Rundfunk-Lizenzpflicht für Online-Medien und generell
Sehr geehrter Herr Otto,
wie Sie wahrscheinlich wissen, ist mit der 12. Änderung des Rundfunk-Staatsvertrages und deren Umsetzung z.Z. in Bayern auch eine Lizenzpflicht für Internet-Streamangebote geplant, sofern mehr als 500 Nutzer sie gleichzeitig nutzen können. Dies würde die Freiheit gerade von Internet-Publikationen erheblich beschränken.
Ich möchte aus diesem Anlass anregen, die Lizenzpflicht für Rundfunkmedien völlig abzuschaffen. Die alliierte Besatzungszeit nach dem Krieg ist vorbei, dank Digitaltechnik, Satelliten und Internet kann heute praktisch eine beliebige Zahl von verschiedenen Programmen gesendet und empfangen werden, das Argument "Frequenzknappheit" ist also auch obsolet. Und gegen extreme Angebote sind die Strafgesetze und die sich immer weiter zur Zensur auswachsenden "Jugendschutz"-Vorschriften weit mehr als ausreichend.
Ich halte es für nicht akzeptabel, dass die Möglichkeit, Rundfunk zu betreiben, von weitgehend willkürlichen Entscheidungen abhängt, etwa bezüglich der Inhalte, aber auch der Sender- und Produktionsstandorte oder personeller Verflechtungen mit der Politik.
Darüber hinaus sollte, meiner Meinung nach, das Internet als "Medium von und für jedermann" besonders vor hohen Kostenaufwänden (z.B. für Lizenzen) und -risiken für (Klein- und Privat-)Anbieter geschützt werden - hier sehe ich auch Handlungsbedarf bzgl. des allgemeinen Zivilrechts und seines Missbrauchs (z.B. Abmahnungen).
Meine Frage: Würden Sie im Kultur- und Medienausschuss und insgesamt im Bundestag eine Initiative tragen, welche sich für eine völlige Abschaffung der Lizenzpflicht im Rundfunk einsetzt und eine freie Veröffentlichung für jedermann ermöglicht?
Sehr geehrter Herr Birke,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Es freut mich sehr, daß Sie sich offensichtlich auch intensiv mit medienpolitischen Fragestellungen auseinandersetzen, und ich tausche mich dazu gerne mit Ihnen aus.
Lassen Sie mich mit der letzten Frage beginnen. Dazu muß ich gestehen, daß ich zu diesem Zeitpunkt noch keine klare Antwort "ja" oder "nein" geben kann. Mal abgesehen davon, daß Rundfunk Ländersache ist, und daher der Ausschuß für Kultur und Medien des Bundestages sich nicht einfach einer solchen Initiative annehmen kann, wäre für mich die Tragweite einer vollständigen Abschaffung der Lizenzpflicht im gesamten Rundfunkbereich noch nicht abschätzbar.
Ich teile nichtsdestotrotz vieler Ihrer Argumente, insbesondere zum Bereich Internet. Ich begreife das Internet als Medium von jedermann für jedermann, das möglichst frei zugänglich sein und vor staatlicher Überregulierung geschützt werden sollte. Die eingeführte Lizenzpflicht für Streamingangebote ist mir wohl bekannt, allerdings befürchte ich sehr, daß selbst die für die Konzeption des Rundfunkänderungsstaatsvertrags verantwortlichen Staatskanzleien der Länder nicht genau wissen, was es damit auf sich haben soll. Auch das kürzlich kommunizierte Abstellen auf das "mögliche gleichzeitige Abrufen durch 500 oder mehr Nutzer" verkennt eklatant Struktur und Lebenswahrheit des Internet. Aus meiner Sicht besteht hier noch erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen den Bundesländern bzw. den Landesmedienanstalten.
Des weiteren hat sich meines Erachtens bei vielen Verantwortlichen noch immer nicht die Erkenntnis eingestellt, daß das Internet ein internationales Medium ist, das nicht ausschließlich deutscher Regulierung folgt. Wir müssen daher bei allen - manchmal auch berechtigten - Versuchen, das Internet nicht als einen völlig rechtsfreien Raum zu begreifen, aufpassen, daß wir mit unserem politischen Handeln nicht lediglich erreichen, daß seriöse Anbieter von Internetdiensten, Telemedien etc. in Deutschland auf Grund von Überregulierung aufgeben oder ins Ausland gezwungen werden, während die Nutzer sich - dann tatsächlich völlig rechtsfrei - mit Angeboten aus dem Ausland versorgen.
Insofern teile ich also Ihre Befürchtung von Überregulierung des Internet und der Medien insgesamt und werde mich bei meiner politischen Arbeit weiterhin nach Möglichkeiten für Zurückhaltung einsetzen. Regulierung darf es nur dort geben, wo es unbedingt notwendig und dabei auch effektiv ist.
Ich hoffe, ich konnte Ihr Anliegen ausreichend beantworten und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto