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Hans-Joachim Otto
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Frage von Manuel B. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Manuel B. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Otto,

als Vorsitzender der Bundesmedienkommission der FDP werden Sie sicherlich die Künstlersozialkasse kennen, die es Künstlern, Publizisten und selbstständigen bzw. freiberuflichen Werbeschaffenden ermöglicht, sich günstiger kranken- und rentenzuversichern.

Kunden von Personengesellschaften oder Freiberuflern, welche Leistungen aus einem kreativen Bereich beziehen, sich also beispielsweise eine Firmenpräsenz im Internet oder eine Image-Broschüre erstellen lassen, sind verpflichtet mehr als 5% des Rechnungs-Nettobetrages an die KSK abzuführen, obgleich der entsprechende Dienstleister in der KSK versichert ist oder nicht.

Es ist nicht einmal die Frage, ob der entsprechende Dienstleister überhaupt dazu berechtigt ist über die KSK versichert zu sein, zahlen muss er bzw. sein Kunde dennoch. Dies ist in meinen Augen nicht gerecht, da dem Kunden ein unerwarteter Mehraufwand und dadurch Wettbewerbsverzerrung entsteht.

Die KSK versteht sich somit im Prinzip als „Gestaltungspolizei“ und erhebt, ähnlich wie vielleicht im Rundfunkbereich die GEZ, Gebühren für Leistungen, die man selbst (und seine Kunden noch weniger) gar nicht in Anspruch nimmt, nehmen möchte oder das Recht gar nicht hat, diese überhaupt in Anspruch nehmen zu dürfen. Warum sollen meine Kunden unnötige Gebühren an die KSK bezahlen müssen, was meine Marktpreise indirekt grundlos erhöht, obwohl ich selbst nicht über diese Künstlersozialversicherung versichert bin und auch nicht versichert sein möchte?

Wie sieht die FDP diese Problematik und was gedenkt sie in diesem Bereich zu tun, um das meiner Meinung nach deutlich antiquierte Gesetz von 1983 zu überarbeiten, modernen Anforderungen der Marktwirtschaft anzupassen und Abhilfe für dieses Problem der Ungerechtigkeit zu schaffen?

Gruß,
Manuel Bieh

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Bieh,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Bevor ich auf die einzelnen Kritikpunkte zu sprechen komme, möchte ich einige grundsätzliche Aussagen zur Künstlersozialversicherung machen. Die Künstlersozialversicherung und damit auch die Abgabepflicht für die Unternehmer, die Werke oder Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten verwerten, wurde zum 1.1.1983 – also vor bald 25 Jahren – eingeführt. Seit Mitte der Siebziger Jahre hatte die sozial-liberale Koalition an einem solchem Künstlersozialhilfegesetz gearbeitet. 1981 wurde es vom Deutschen Bundestag beschlossen.

Die Künstlersozialversicherung ist – damals wie heute - die Grundlage der sozialen Sicherung von Künstlerinnen und Künstlern und ein wichtiger Beitrag des Staates zur Künstler- und Kunstförderung. Die gemeinsame Finanzierung dieser Grundsicherung durch die Versicherten (50 %), die Verwerter (ursprünglich 25, jetzt 30%) und den Bund (ursprünglich 25, jetzt 20%) trägt den besonderen Arbeitsbedingungen von Künstlern, Autoren, Graphikern etc. Rechnung. Anders als bei üblichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, beteiligt sich der Bund aufgrund seiner kultur- und sozialpolitischen Verantwortung für freiberufliche Künstler und Autoren an der Finanzierung dieser sozialen Absicherung.

Infolge der einseitigen Absenkung des Bundeszuschusses von 25 auf 20 Prozent durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 und steigender Versichertenzahlen, denen keine adäquaten Zuwächse bei den abgabepflichtigen und tatsächlich zahlenden Verwertern gegenüberstanden, ist die Künstlersozialversicherung in den vergangenen Jahren finanziell unter Druck geraten. Der Abgabesatz auf die Honorare mußte im Jahr 2005 von 4,3 auf 5,8 Prozent angehoben werden. Ein wichtiger Aspekt, der zu der finanziellen Schieflage der Künstlersozialkasse führte, war die zunehmende Praxis von kunst- und publizistikverwertenden Unternehmern, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Auftragsverhältnisse mit in der Künstlersozialkasse versicherten „freien Mitarbeitern“ umzuwandeln. Dies entlastet natürlich die Arbeitgeber, die nicht mehr ihren Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, sondern nur noch den Verwerteranteil der Künstlersozialversicherung zahlen müssen, widerspricht aber dem Prinzip der Künstlersozialkasse und dem deutschen Arbeitsrecht.

Zur Herstellung der Beitrags- und Abgabegerechtigkeit und zur der Stabilisierung der Finanzierungsgrundlage der Künstlersozialversicherung hat die Bundesregierung ein Änderungsgesetz vorgelegt, welches am 22. März 2007 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde und zum 01.07.2007 in Kraft getreten ist. Die FDP hat dieses Gesetz befürwortet und unterstützt, weil dadurch vor allem zwei Probleme der Künstlersozialversicherung gelöst wurden:
Zum einen erschien es uns ungerecht, daß eine erhebliche Zahl von kunst- und publizistikverwertenden Unternehmen den gesetzlichen Melde- und Abgabepflichten nicht nachgekommen ist. Wenn sich jedes abgabepflichtiger Unternehmen an der Finanzierung tatsächlich beteiligt, ist der Beitrag für den Einzelnen geringer. Die vollständige Erfassung der abgabepflichtigen Arbeitgeber, die seit dem 01.07.2007 durch die Deutsche Rentenversicherung durchgeführt wird, führt zu einer gerechteren Verteilung der Lasten.
Zum andern war unserer Ansicht nach eine intensivere Prüfung der Versicherten im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht geboten. Eine stärkere Überprüfung der Versicherten führt zu einer größeren Beitragsgerechtigkeit.
Da die Deutsche Rentenversicherung nach SGB IV für alle so genannten Statusfeststellungsverfahren und sonstige Prüfverfahren zuständig ist, erscheint es uns sinnvoll, daß sie die unterstützende Prüftätigkeit für die Künstlersozialversicherung übernimmt.

Die FDP hat sich immer zum System der Künstlersozialversicherung bekannt. Auch die gegenwärtige Kritik an der Künstlersozialkasse halte ich in weiten Teilen für unberechtigt.
Diejenigen Unternehmen, die nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler vergeben, sind von der Abgabepflicht befreit. Darüber hinaus ist es meiner Auffassung nicht einzusehen, warum es einem Verwerter nicht zuzumuten sein sollte, für die Leistungen eines freien Künstlers eine Abgabe in Höhe von circa 5 Prozent des Honorars zu zahlen, wenn der Verwerter bei der Erbringung der gleichen Leistung durch ein Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten deren im Vergleich wesentlich höheren Sozialabgaben im Paketpreis auch mitbezahlen muß. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 8. April 1987 ausdrücklich festgestellt, daß das Künstlersozialversicherungsgesetz verfassungskonform ist. Gleichzeitig entwickelte es die Formel des symbiotischen Verhältnisses von Künstlern und Verwertern, aus dem sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes eine besondere Verantwortung der Vermarkter für die soziale Sicherung der typischerweise wirtschaftlich schwächeren selbstständigen Künstler und Publizisten erwächst.

Zu der pauschalen Abgabepflicht unabhängig von der tatsächlichen Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse gibt es meines Erachtens keine Alternative. Gäbe es diese pauschale Abgabepflicht nicht, hätten die versicherten Künstler und Publizisten unweigerlich Wettbewerbsnachteile. Durch diese Regelung kann die Künstlersozialabgabe zudem deutlich unter dem Satz des Arbeitgeberanteils zur allgemeinen Sozialversicherung liegen.

Ab 1.1.2008 sinkt der Abgabesatz zudem für das verwertende Unternehmen von 5,1 Prozent auf 4,9 Prozent. Dies ist ein Erfolg der breiteren Lastenverteilung. Infolge der Überprüfungsmaßnahmen der Deutschen Rentenversicherung wird es meiner Überzeugung nach zu weiteren Senkungen des Abgabesatzes kommen.

Jede zusätzlich zu zahlende Abgabe ist – gerade in Zeiten, wo die Staatsquote auf ein Rekordhoch getrieben wird – eine große Belastung. Ich hoffe, daß ich Ihnen mit meinen Ausführungen die Hintergründe der Neuregelungen in der Künstlersozialkasse erläutern konnte. Wenn sich alle kunst- und publizistikverwertenden Unternehmer an der Finanzierung der Künstlersozialkasse beteiligen, sind die Belastungen gleichmäßig verteilt und stellen für den Einzelnen weder eine Benachteiligung noch eine besondere Belastung dar. In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn Sie die Künstlersozialversicherung in Zukunft mit etwas weniger Skepsis betrachten würden.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Otto MdB