Frage an Hans-Joachim Otto von Guenther M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Otto,
viele Fechenheimer Bürger, zu denen auch ich gehöre, haben Ihre Äußerungen zur Klage der Stadt Frankfurt gegen das neue Allessa- Braunkohlestaubkraftwerk mit Unverständnis gelesen, Ihre Antwort auf den Brief von Frau Christine Kirchhoff verschlägt ihnen aber die Sprache.
Kurz und knapp sagen Sie: „Das Braunkohlestaubkraftwerk wurde geprüft und genehmigt. Es erfüllt die Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Betrieb.“ Ist mit der Genehmigung durch eine Behörde wirklich alles in Ordnung? Sie nehmen nicht zur Kenntnis, daß viele Bürger die Rechtmäßigkeit der Betriebserlaubnis für das Kraftwerk bezweifeln und daß ein Anwohner - auch im Interesse all der Bürger, die sich eine solche Klage aus Kostengründen nicht leisten können- Klage vor Gericht erhoben hat. Auch der BUND und die Stadt Frankfurt klagen gegen diese Betriebserlaubnis.
Eine Klage scheint für Sie etwas Negatives zu sein. Die Klage der Stadt Frankfurt bezeichnen Sie als industriefeindlich und als Verschwendung von Steuergeldern. Daher meine Frage an Sie: Sind Sie nicht der Ansicht, dass der Schutz des Bürgers vor unberechtigten Eingriffen der Obrigkeit einer der Grundgedanken des Liberalismus ist? Sind Sie nicht der Ansicht, dass über die Frage, ob ein solcher Eingriff berechtigt ist oder nicht, die Gerichte entscheiden? Für mich hat es einen faden Beigeschmack, wenn sich ein (schon in der Exekutive tätiger ) Mann der Legislative auch noch in ein schwebendes Verfahren, de facto sogar in mehrere schwebende Verfahren einmischt. Ist Ihrer Meinung nach Gewaltenteilung nicht zentrales Element liberalen Denkens?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Muth
Sehr geehrter Herr Dr. Muth,
zunächst darf ich Ihnen als Anwalt versichern, dass eine Klage für mich per se nichts Negatives ist. So gehört auch die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten zu den existenziellen Bestandteilen eines Rechtsstaats.
Die Stadt Frankfurt ist mit ihren Klagen gegen das Kraftwerk mehrfach gescheitert. Der Rechtsweg steht ihr zwar weiterhin offen, es ist aber legitim, zu fragen, ob ein weiteres Beschreiten dieses Weges auch sinnvoll ist. Daran habe ich erheblich Zweifel und diese habe ich öffentlich zum Ausdruck gebracht.
Ich kann nicht sehen, wie ich mich mit meinen Äußerungen in die von Ihnen angesprochene Legislative eingemischt habe. Vielmehr richtet sich meine Forderung an die Exekutive der Stadt, von weiteren Klagen abzusehen. Eine Gefahr für die Gewaltenteilung kann ich darin nicht erkennen. Die Exekutive der Stadt Frankfurt nimmt für sich in Anspruch, im Interesse der Öffentlichkeit zu handeln – und muss ihr Verhalten im Spiegel der Öffentlichkeit bewerten lassen, zumal die Prozeßlawine den Steuerzahler teuer zu stehen kommt.
Sie haben mit Blick auf das Kraftwerk in Fechenheim eine andere Meinung als ich. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich meine Meinung öffentlich nicht vertreten darf.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto