Frage an Hans-Joachim Otto von Andreas R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Otto,
mit einigem Entsetzen habe ich nun das Sparpaket der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Unabhängig davon, das Firmen, Konzerne, Banken erst evtl. und sehr schwammig in der Zukunft zur Haushaltskonsolidierung ihren - wenn auch geringen - Beitrag leisten soll, stellt sich mir doch eine Frage:
Meinen Sie persönlich nicht auch, dass die geplante Abgabe der Energiegroßkonzerne auf Brennelemente (gekoppelt zudem auch noch an einer Laufzeitverlängerung, obwohl diese Konzerne heute schon Mrd. Netto Gewinne als quasi Monopolisten erziehlen) diese Mehrkosten auf die Stompreise umlegen wird, und auch das wir "Normalbürger" bezahlen werden?
Sehr geehrter Herr Reinsberg,
vielen Dank für Ihre Frage. Lassen Sie mich vorweg Folgendes ausführen: jenseits aller Detailfragen über Steuersätze, Beiträge von "Firmen, Konzernen und Banken", Streitigkeiten über die Senkung oder Erhöhung verschiedener Steuerarten etc. hat der deutsche Staat - wie viele andere Nationen auch - ein vordringliches Problem: er gibt zu viel Geld aus.
Dieses Problem lässt sich einzig und allein auf eine Art angehen: er muss weniger ausgeben. Wir können das Problem vielleicht noch etwas weiter in die Zukunft schieben, in dem wir weiterhin versuchen, mehr Geld aus den Bürgern und "der Wirtschaft" heraus- und in den Staat hineinzupumpen, aber früher oder später wird die Staatsverschuldung ein Maß angenommen haben, dass uns jeglichen Gestaltungsspielraum raubt und den Staat - und damit auch die sozialen Sicherungssysteme - kollabieren lässt. Griechenland z.B. hat gezeigt, dass dies leider kein so fernliegendes Szenario ist.
Ich für meinen Teil bin nicht bereit, unser massives Ausgabenproblem immer weiter in die Zukunft zu schieben und somit den nachfolgenden Generationen eine Bürde aufzulasten, die diese langfristig nicht tragen können. Daher sage ich es noch einmal, auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: der Staat gibt zu viel Geld aus. Wir müssen das ändern. Wir können nur dort Ausgaben zurückfahren, wo auch Geld ausgegeben wird.
Dieses Ausgabenproblem ist die christlich-liberale Regierungskoalition angegangen wie keine Bundesregierung bisher. Sie ist dabei fair und ausgewogen vorgegangen. Nur ein Beispiel: der Anteil von Sozialausgaben am Bundeshaushalt liegt bei 55%. Der Anteil von Maßnahmen des Sparpaketes im Bereich des ALG II und des Elterngeldes am Gesamtpaket beträgt allerdings nur 33%.
Kommen wir nun zur Einnahmeseite: Bürger und Unternehmen - die viel gescholtene "Wirtschaft" - haben im Jahr 2009 dem deutschen Staat auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene Einnahmen von über einer halben Billion Euro beschert. Ich würde sagen, dass man dies als durchaus zählbaren Beitrag bezeichnen kann. Ich finde es sogar vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Steuereinnahmen des Staates Jahr für Jahr steigen, nicht fair zu behaupten, die Steuerzahler würden ihren Beitrag nicht leisten. Das gilt übrigens auch für die sogenannten "Besserverdienenden": die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung tragen über 50 % des Einkommenssteueraufkommens insgesamt.
Natürlich können wir uns nun über die Ausgestaltung einzelner Steuern unterhalten. Das machen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen auch. Ich für meinen Teil - und damit spreche ich wohl für die gesamte FDP - halte es nach wie vor dringend erforderlich, das Steuersystem einfacher, transparenter und auch insgesamt gerechter zu gestalten.
Das hält uns aber nicht von unserer dringendsten Aufgabe ab: endlich die Ausgaben des Staates auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Denn die Ausgaben des Staates steigen seit Jahren sogar noch stärker als die (ebenfalls steigenden) Einnahmen! Langfristig können und dürfen wir aber nicht mehr ausgeben als wir einnehmen.
Erlauben Sie mir abschließend folgenden Hinweis: Sie selbst beklagen sich darüber, dass aus Ihrer Sicht z.B. "Firmen und Konzerne" keinen ausreichenden Beitrag zur Konsolidierung leisten. Einen Satz später befürchten Sie allerdings, dass die Einbeziehung von Konzernen in das Maßnahmenpaket einen Effekt auf die Verbraucherpreise entwickeln könnte. Dass Steuern nun einmal auch das Preisniveau beeinflussen können - und zwar grundsätzlich - liegt aber in der Natur der Sache. Es gibt keine einzige Steuer, die nicht auch mittelbar oder unmittelbar den "Normalbürger" - wie Sie ihn nennen - betreffen. Das ist ja gerade das Problem und der Grund, warum sich die FDP für ein faires und einfaches Steuersystem einsetzt. Höhere Steuern bedeuten weder automatisch höhere Einnahmen für den Staat noch eine solidere Haushaltsführung und wirken sich immer auch auf "den Normalbürger" aus (Ich halte übrigens in diesem speziellen Fall ein Ansteigen der Verbraucherpreise sogar für unwahrscheinlich).
Sie sehen, Regierungsarbeit - vor allem im Bereich der Steuern - ist nicht einfach. Vieles von dem, was landläufig in die Debatte eingebracht wird, hilft dem Staat weder auf der Einnahmen- noch auf der Ausgabenseite. Ich kann Ihnen versichern, dass sich die FDP mit Blick auf einen (auch finanziell) gesunden Staat, einen fairen Ausgleich zwischen "Starken und Schwachen", ein effektives und effizientes Steuersystem und ein funktionierendes Sozialsystem in die Regierungsarbeit einbringt. Das Maßnahmenpaket zur Haushaltskonsolidierung ist davon ein notwendiger und sinnvoller Bestandteil.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto