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Hans-Joachim Otto
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Frage von Manuel G. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Manuel G. bezüglich Innere Sicherheit

Meine Frage, die ich Ihnen stellen will, bezieht sich ebenso auf die Internetzensur.
Da ich in meiner Freizeit Forenbetreuer bin, dürfte diese Frage wohl allen Admins und ähnlichen auf der Seele liegen, da wir ja durch unsere Aufgabe, Foren von unerwünschten Beiträgen, links usw zu säubern, immer in die Gefahr laufen werden, auf Ihr Stoppschild zu kommen.
Wie haben sie sich das gedacht, rein praktisch?
Wie sollen sich Internetbetreiber und deren Forenbetreuer verhalten?
Ein Klick und unsere IP landet beim BKA, und die Polizei steht zwei Wochen später vor der Tür, nimmt uns mit, nur weil wir das Internetsäubern, unsere Aufgabe nach kommen, und sowas löschen sollen?
Wir machen sowas unentgeldichen und Opfern unsere Freizeit, und schon sind wir Kriminelle, weil man uns einen verkehrten Link ins Forum stellt?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Gogna,

vielen Dank für Ihre Frage vom 28.05.09. Eine Erläuterung vorweg: beim Vorhaben zur "Internetzensur", von dem Sie sprechen, handelt es sich um einen Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG), den die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD in den Deutschen Bundestag eingebracht hat. Wenn Sie sich darüber näher informieren möchten, steht Ihnen auf der Homepage des Deutschen Bundestages das parlamentarische Dokumentationssystem "DIP" zur Verfügung. Die Drucksachennummer des Vorhabens ist (16/12850).

Die FDP-Bundestagsfraktion, der ich angehöre, sieht dieses Vorhaben sehr kritisch (Sie sollten also nicht von "meinem" Stoppschild sprechen!). Dafür gibt es viele Gründe, auch die von Ihnen vorgebrachten. Es besteht die latente Gefahr, daß Nutzer aus Versehen auf der sogenannten "Stopp-Seite" landen oder dort hingelockt werden. Für mich besteht darüber hinaus das Problem schon darin, daß der Deutsche Bundestag dieses Gesetz gar nicht erlassen darf, da er nicht zuständig ist. Das Gesetz wäre demnach wohl schon rein formell verfassungswidrig.

Der Vollständigkeit halber wiederhole ich an dieser Stelle meine Antwort auf die Frage von Herrn Ertel vom 12.05.09, in dem ich meine Haltung erläutert habe:

Kinderpornographie muss effektiv bekämpft werden. Kinderpornographie, bei der der Missbrauch von Kindern in Bild oder Film wiedergegeben wird, ist ein widerliches und schreckliches Verbrechen, denn der vorangegangene Missbrauch hinterlässt unheilbare Wunden an Seele und Körper der missbrauchten Kinder.

Notwendig ist die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Die Erfolge der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich müssen fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen. Zudem muss die Prävention des Kindesmissbrauchs verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder, der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch sofort zur Anzeige zu bringen.

Gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, hat die FDP-Bundestagsfraktion aber schwerwiegende Bedenken.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Zugleich müssen sich staatliche Maßnahmen an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.

Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder, wohingegen der Bund nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf überhaupt verfassungsgemäß ist.

Der Gesetzentwurf wirft darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfasst sein, wie die Bundesregierung selbst einräumt. Daher muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob die vorgeschlagene Maßnahme verhältnismäßig ist.

Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Das Verbreiten und das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind strafbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den geplanten Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich sind, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Wenngleich die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, gang und gäbe ist und so eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel.

Von der Bundesregierung wird vorgetragen, dass die Maßnahme aber deshalb erforderlich sei, weil ein strafrechtliches Vorgehen gegen die Betreiber ausländischer Server schwierig bis unmöglich sei. Nach Erkenntnissen aus anderen Ländern befindet sich die weit überwiegende Zahl der Server in den Vereinigten Staaten, die übrigen sogar vielfach in Europa. Hier ist Rechtshilfe regelmäßig möglich und auch erfolgversprechend.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht. So fehlen in dem Gesetzentwurf Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr ist abzulehnen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird das nun anstehende parlamentarische Verfahren dazu nutzen, ihre Bedenken sachlich und kritisch vorzutragen, um eine ernsthafte Debatte anzustoßen, sowie Alternativen zu identifizieren. Es verbietet sich nach Ansicht der FDP-Bundestagsfraktion, das Thema in die eine oder andere Richtung zu instrumentalisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Otto