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Hans-Joachim Otto
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Frage von Marco E. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Marco E. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Otto,
ich hätte ein paar Fragen an Sie als Mitglied des Unterausschuss Neue Medien:

Wie stehen sie zur geplanten Internetzensur, besonders unter der Berücksichtigung, daß sich die meisten Server mit kinderpornographischem Inhalt in Ländern befinden, in denen eine Strafverfolgung ohne weiteres möglich ist (Googlesuche: "Wo stehen die Kinderpornoserver")? Dies wurde bereits sehr erfolgreich durch eine private Organisation bewiesen ( http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_1.html )
Statt dessen soll das BKA ohne richterliche Anordnung diese Seiten sperren lassen. Verstößt diese Zusammenlegung der Judikative und Exekutive nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung?
Die Sperrlisten sollen geheimgehalten werden und können daher nicht überprüft werden. Warum gibt es hier nicht als absolut minimale Forderung einen Richtervorbehalt?
Wer kann hier garantieren, dass das BKA die ihm gegebene Macht nicht ausnutzt und auch z.B. unliebsame politische Inhalte sperrt?

Ein dritter Punkt ist die Protokollierung der Aufrufe der Stopp-Seite. Es ist ein leichtes, einem Computernutzer entsprechend präparierte Mails zu senden (oder anderes) mit welchem vielfach und teilweise unbemerkt die Stoppseite aufgerufen wird. Außerdem ist eine neue Form von Viren denkbar, die den Computerbesitzer erpresst, Stopp-Seiten aufzurufen wenn kein "Schutzgeld" bezahlt wird (Scareware).
Zuletzt möchte ich Sie noch auf die in den letzten Tagen von (derzeit) 73.000 Menschen mitgezeichnete (Online) Petition "Internet - Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten" hinweisen.
Als weitere Informationen kann ich ihnen den Artikel des wohl renommiertesten deutschen IT-Fachverlags (heise) empfehlen: http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867

Wie gedenken Sie zu diesem Thema abzustimmen?

Mit freundlichen Grüßen
Marco Ertel

Portrait von Hans-Joachim Otto
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Ertel,

vielen Dank für Ihre Frage vom 12.05.09. Gerne teile ich Ihnen dazu die Meinung der FDP-Bundestagsfraktion mit.

Kinderpornographie muss effektiv bekämpft werden. Kinderpornographie, bei der der Missbrauch von Kindern in Bild oder Film wiedergegeben wird, ist ein widerliches und schreckliches Verbrechen, denn der vorangegangene Missbrauch hinterlässt unheilbare Wunden an Seele und Körper der missbrauchten Kinder.

Notwendig ist die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Die Erfolge der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich müssen fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen. Zudem muss die Prävention des Kindesmissbrauchs verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder, der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch sofort zur Anzeige zu bringen.

Gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, hat die FDP-Bundestagsfraktion aber schwerwiegende Bedenken.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Zugleich müssen sich staatliche Maßnahmen an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.

Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder, wohingegen der Bund nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf überhaupt verfassungsgemäß ist.

Der Gesetzentwurf wirft darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfasst sein, wie die Bundesregierung selbst einräumt. Daher muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob die vorgeschlagene Maßnahme verhältnismäßig ist.

Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Das Verbreiten und das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind strafbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den geplanten Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich sind, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Wenngleich die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, gang und gäbe ist und so eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel.

Von der Bundesregierung wird vorgetragen, dass die Maßnahme aber deshalb erforderlich sei, weil ein strafrechtliches Vorgehen gegen die Betreiber ausländischer Server schwierig bis unmöglich sei. Nach Erkenntnissen aus anderen Ländern befindet sich die weit überwiegende Zahl der Server in den Vereinigten Staaten, die übrigen sogar vielfach in Europa. Hier ist Rechtshilfe regelmäßig möglich und auch erfolgversprechend.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht. So fehlen in dem Gesetzentwurf Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr ist abzulehnen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird das nun anstehende parlamentarische Verfahren dazu nutzen, ihre Bedenken sachlich und kritisch vorzutragen, um eine ernsthafte Debatte anzustoßen, sowie Alternativen zu identifizieren. Es verbietet sich nach Ansicht der FDP-Bundestagsfraktion, das Thema in die eine oder andere Richtung zu instrumentalisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Otto