Frage an Hans-Joachim Fuchtel von Robert R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Fuchtel,
Ich hege die Vermutung, dass angesichts einiger Millionen fehlender Arbeitsplätze, dank des Segens Produktivität, Hartz IV nur dazu dienen kann, die Aufmerksamkeit der Menschen vom Problem der Arbeitslosigkeit auf die Arbeitslosen zu lenken. Aber kann es vielleicht sein, dass gerade durch die Schmarotzerdebatten ausgerechnet bei denen, die nichts haben und der einhergehenden Wegbereitung für Sanktionierungen bei eben diesen, sowie teilweisen Teilnahmezwang an immer gleichen, aber fruchtlosen „Fortbildungen“, bei denen immerhin der Träger Geld verdient, eine brisante Gesamtsituation entsteht? Anders gefragt, ist nicht durch diese Gesetzgebung der Regierung und die teilweise willkürliche Ausführung in den Behörden der Straftatbestand „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ erfüllt? Wenn verzweifelten Menschen gesagt wird, sie wären selber schuld und jede Kommunikation nur unter Androhung existenzbedrohender Sanktionen stattfindet, muss man nicht damit rechnen, dass Menschen stehlen, (mund)rauben, ja austicken? Und trägt nicht letztlich jener schuld hieran, der diese existenzbedrohende Atmosphäre schuf? Gefährdet die CDU durch Ihre Politik nicht den öffentlichen Frieden im schönen, reichen Deutschland?
Und würden Sie mich vielleicht in einer Klage gegen die Regierung vertreten?
Mit freundlichen Grüßen
Robert Rutkowski
Sehr geehrter Herr Rutkowski,
Ihre Anfrage, ob ich Sie in einer Klage gegen die Regierung vertreten würde, muss ich abschlägig bescheiden.
Ich schätze, dass Sie im Zusammenhang mit Ihrer Erwähnung des Straftatbestandes „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ den § 130 Strafgesetzbuch gelesen haben, bei dem es um Volksverhetzung geht und der wie folgt liest:
„Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie dieser Straftatbestand in Zusammenhang mit der Hartz IV-Gesetzgebung erfüllt sein soll.
Der deutsche Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft, auf der die Sozialgesetzgebung incl. Hartz IV basiert, erwächst aus Art. 1 GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) und aus Art. 20 GG. Menschen, die in Notlagen geraten, wie Arbeitslosigkeit, wird staatliche Hilfe zu Teil – es handelt sich hierbei um eine Hilfe- und keine Gewalt- oder Willkürmaßnahme.
Die Regierungskoalition beschimpft nicht oder macht Hartz IV-Empfänger nicht verächtlich.
Die Arbeitsagenturen entwickeln persönliche Strategien zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen – aus meinen vielfältigen Kontakten mit Agenturen kann ich daher nicht bestätigen, dass Kommunikation nur unter Androhung existenzbedrohender Sanktionen stattfinden würde. Ich gehe allerdings davon aus, dass arbeitsfähige Menschen, die in die Ausnahmesituation Arbeitslosigkeit gekommen sind, auch arbeitswillig sind und jede Möglichkeit, wieder ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können, ergreifen möchten – wobei sie von den Arbeitsagenturen unterstützt werden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass eine Trendwende am Arbeitsmarkt eingesetzt hat und die Arbeitslosenzahlen allein von Februar 2006 bis Februar 2007 um 826.000 gefallen ist und wir allein im Februar fast eine halbe Million ungeförderte offene Stellen hatten – neben den öffentlich geförderten. Natürlich brauchen wir mehr Arbeitsplätze – aber die entstehen derzeit durch den konjunkturellen Aufschwung. Und wir denken in der Koalitionsfraktion sogar an einen dritten Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose, damit sie wieder einer sinnvollen täglichen Arbeit nachgehen können. All das fördert gar den öffentlichen Frieden, wenn Sie es so ausgedrückt haben wollen – denn wir lassen Arbeitslose nicht verelenden und überlassen sie nicht ohne staatliche Unterstützung ihrem Schicksal, sondern wir kümmern uns, betreuen und bieten Möglichkeiten – Jobs, Qualifizierung, Transferleistung.
Dies soll im Gegenzug allerdings auch genutzt werden – im Sinne des Solidargedankens – die Gesellschaft und der Staat tun etwas für mich, dann kann ich nicht die Hand beißen, die mich füttert.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Argumente ein wenig darlegen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Hans-Joachim Fuchtel