Portrait von Hans-Joachim Fuchtel
Hans-Joachim Fuchtel
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hans-Joachim Fuchtel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Inge R. •

Frage an Hans-Joachim Fuchtel von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Fuchtel,

als Mutter einer erwachsenen schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu den aktuell gehäuft auftretenden Anträgen der Sozialhilfeträger bei den Familienkassen auf Auszahlung des (anteiligen) Kindergeldes für volljährige und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII.

Die Sozialhilfeträger nutzen für die Anträge zur Abzweigung des Kindergeldes zwei Urteile des Bundesfinanzhofes, die völlig zweckentfremdet wurden.
In aller Regel erfahren die Eltern erst nach(!) erfolgter Antragstellung von diesem Verwaltungsakt, der in ihre Rechte eingreift. Ohne eine Möglichkeit der Anhörung gegenüber den Sozialämtern werden die Eltern in die Zuständigkeit von Finanzgerichten gezwungen, falls die Familienkassen der Einschätzung sind, dass die Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen.
Mittlerweile entsteht bei vielen Eltern der Eindruck, dass die Sozialämter die Zuständigkeit bewusst zu den Finanzgerichten lenken, weil sie mit den Abzweigungsanträgen vor dem Bundessozialgericht bereits mehrfach gescheitert sind.
Besonders in seinem Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 - hat das BSG eindeutig beschrieben, dass die Voraussetzungen für eine solche Abzweigung keiner Prüfung bedürfen, weil dies den Zielen der §§ 41 ff SGB XII widersprechen würde, die Eltern von Unterhaltsleistungen freizustellen.

Wie stehen Sie zu den Abzweigungsanträgen der Sozialleistungsträgern, die die wiederholte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hartnäckig ignorieren?

Und wie wollen Sie Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung jetzt unterstützen, damit diese nicht gezwungen werden, sich immer wieder aufs Neue durch alle Instanzen zu kämpfen?

Mit freundlichen Grüßen

Inge Rosenberger

Portrait von Hans-Joachim Fuchtel
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Rosenberger,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 06.01.2011, mit dem Sie die geänderte Entscheidungspraxis der Sozialhilfeträger bei der Berücksichtigung von Kindergeld für volljährige und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Empfänger von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung ansprechen.

Zunächst muss ich bemerken, dass die Durchführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), wozu auch Anträge auf Abzweigung nach § 74 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) gehören, verfassungsrechtlich den Behörden in den Ländern obliegt, die der Weisung des Bundes nicht unterliegen.

Allgemein weise ich aber darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber weder § 74 EStG noch die §§ 43 Abs. 2 und 94 Abs. 2 SGB XII geändert hat. Mit den beiden sozialhilferechtlichen Vorschriften hat der Gesetzgeber eine deutliche Wertentscheidung getroffen, dass die Heranziehung von grundsätzlich unterhaltsverpflichteten Eltern zu den nicht unerheblichen Aufwendungen eines Sozialhilfeträgers für Leistungen an volljährige behinderte Kinder im Regelfall auf 31 € (Wert in 2011) begrenzt bleiben soll. An diese Wertentscheidung des Sozialhilfegesetzgebers ist der Träger der Sozialhilfe als zuständige Leistungsbehörde gebunden. Er ist gehalten, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob ein eventueller Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 EStG mit dieser Wertentscheidung in Übereinstimmung steht.

Dies kann zwar im Einzelfall der Fall sein, wenn, wie in einem der in Rede stehenden BFH-Urteile, der Kindergeldberechtigte selbst Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII erhält und in diesem Zusammenhang deutlich macht, dass er zu jeglichen Unterhaltsleistungen außer Stande ist.

Grundsätzlich kann aber gerade bei den in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern lebenden volljährigen behinderten Kindern im Regelfall davon ausgegangen werden, dass den Eltern Aufwendungen in erheblicher Höhe, wie zum Beispiel für gemeinsame Unternehmungen und gesellschaftliche Veranstaltungen sowie für Fahrten zu Ärzten und Therapien für nicht erstattungsfähige notwendige Medikamente, Geschenke und vielem mehr entstehen. Dies ist sowohl von den Sozialhilfeträgern als auch von den Familienkassen einzelfallbezogen zu berücksichtigen, so dass eine Abzweigung des Kindergeldes an den Träger der Sozialhilfe nur in Ausnahmefällen möglich sein wird.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Fuchtel, MdB