Frage an Hans-Joachim Fuchtel von Cornelia D. bezüglich Familie
Sehr geehrte Herr Fuchtel,
da ich selbst alleinerziehende Mutter zweier Kinder bin, habe ich speziell zu diesem Thema fragen:
Neben den steuerlichen Ungerechtigkeit, die man als getrennte Familie zu leisten hat, gibt es für Alleinerziehende finanzielle Nachteile im späteren Rentenalter. Natürlich bekommt man einen geringfügigen Rentenausgleich später durch den Exmann. Aber letztendlich ist es so, daß ich , wenn ich meine Kinder nicht nur von Institutionen erziehen lassen möchte, sondern Ihnen auch das Gefühl von Familienleben vermitteln will und auch in schwierigen Phasen für sie da sein möchte, lange Zeit nicht 100% arbeiten kann. Gleichzeitig bleibt kein Geld für eine private Rentenversicherung. Da ich Ärztin bin, kann ich auch nicht von der Riester-Rente prifitieren. Deshalb habe ich Sorge vor der Altersarmut. Welche Lösungansätze sehen Sie?
Zweite Frage: Seit letztem Jahr gilt ein neues Gesetz bzgl. der Unterhaltszahlungen gegen die Kinderarmut bei Alleinerziehenden. Es ist geregelt, daß die erste Frau bzgl. der Unterhaltszahlungen nur dann Unterhalt erhält, wenn das Geld dazu noch ausreicht, falls es in der Zweitfamilie wieder Kinder gibt. Aus Erfahrung von mehreren Familien weiß ich, daß das Geld meistens nicht mehr ausreicht. D.h. letztendlich bekommt die Erstfrau plötzlich keinen Unterhalt mehr. Wenn die Erstfrau keinen Unterhalt mehr erhält, ist auch gleichzeitg weniger Geld für das Kind aus erster Ehe vorhanden. Gleichzeitig bleibt dem Exmann für die neue Familie deutlich mehr Geld: Die Zweitfrau bekommt Elterngeld und dem Mann bleibt mehr, weil er keine Unterhaltsleistungen mehr an seine ertse Frau erbringen muß. Während die Alleinerziehenden häufig in Armut leben, ist dies bei den Zweitfamilien deutlich seltener der Fall. Wie sehen Sie die soziale Ungerechtigkeit und welche Änderungsvorschläge haben Sie?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
C. Dörrenbächer
Sehr geehrte Frau Dörrenbächer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne nehme ich zu den einzelnen Anliegen Stellung.
Gestatten Sie mir bzgl. Ihrer Anmerkung, dass als Alleinerziehende aufgrund Ihrer Teilzeittätigkeit wegen der Betreuung Ihrer Kinder nur unzureichend für Ihr Alter vorsorgen können, zunächst einen Hinweis auf das gut ausgebaute System von familienpolitischen Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hierzu zählt in erster Linie die Anerkennung von Kindererziehung. Als Kindererziehungszeit werden für Geburten ab 1992 die ersten drei Lebensjahre eines Kindes (auch zusätzlich zu zeitgleichen Beitragszeiten aus einer Beschäftigung) angerechnet und mit 100 Prozent des Durchschnittseinkommens bewertet. In der so genannten Kinderberücksichtigungszeit bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres eines Kindes werden die Rentenanwartschaften von Erziehenden, die erwerbstätig sind, um 50 Prozent auf maximal 100 Prozent des Durchschnittsverdienstes aufgewertet. Dies gilt auch für Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Bei gleichzeitiger Erziehung von zwei oder mehr Kindern unter zehn Jahren wird eine Gutschrift von 1/3 Entgeltpunkt gewährt. Auch die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Angehörigen der berufsständischen Versorgungswerke haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Kindererziehung in ihrer Versicherungsbiografie in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt wird.
Allein die geltende Regelung, nach der pro Kind 3 Jahre an Kindererziehungszeit angerechnet werden, führt bei dem derzeitigen aktuellen Rentenwert von 27,20 Euro zu einem Rentenertrag von fast 82 Euro pro Kind. Hierfür zahlt der Bund die Beiträge. Dies sind aktuell mehr als 18.000 Euro pro Kind. Die Gesamtausgaben des Bundes hierfür liegen derzeit bei jährlich rund 11,5 Mrd. Euro.
Soweit Sie die Riester-Förderung ansprechen, können grundsätzlich alle Personen diese Förderung beanspruchen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Deswegen sind auch Eltern während der 3-jährigen Kindererziehungszeit im Rahmen der Riester-Rente förderberechtigt. Die Riester-Rente soll eine zusätzliche Altersversorgung derjenigen ermöglichen, die von der Absenkung des Versorgungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. in entsprechenden Versorgungssystemen betroffen sind. Bei den berufsständischen Versorgungswerken ist dies jedoch nicht der Fall. Dieser sachliche Grund rechtfertigt eine Ungleichbehandlung, was auch bereits höchstrichterlich anerkannt ist.
Zu Ihren unterhaltsrechtlichen Beanstandungen habe ich vom Bundesministerium der Justiz die folgende Stellungnahme erhalten:
„Durch die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform ist die unterhaltsrechtliche Rangfolge neu geregelt worden. Diese gibt vor, in welcher Reihenfolge die Ansprüche mehrerer Unterhaltsberechtigter zu erfüllen sind, wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht allen Unterhalt gewähren kann (sogenannter Mangelfall).
Ziel der Neuregelung war es, die Situation von Kindern zu verbessern. Nach altem Recht standen die Unterhaltsansprüche von Kindern den Ansprüchen eines Ehegatten im Rang gleich. Dies hatte im Mangelfall zur Folge, dass auch der Unterhalt der Kinder gekürzt wurde. Um dies zu vermeiden, bestanden bereits seit geraumer Zeit Forderungen nach einem alleinigen Vorrang für Kinder. Ein breiter Konsens bestand auch darüber, dass Eltern dann bevorzugt berücksichtigt werden, wenn sie wegen der Kinder nicht erwerbstätig sein können. Um allen Kindern – unabhängig von der Lebensform ihrer Eltern - die gleichen Lebensbedingungen zu ermöglichen, wurde zugleich der Vorrang von Unterhaltsansprüchen Geschiedener vor nachfolgenden Partnern abgeschafft. Hierfür sprachen letztlich auch durchgreifende gesellschaftliche Änderungen wie etwa gestiegene Scheidungszahlen und eine stetige Zunahme der Anzahl von Zweitfamilien.
Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Rangordnung nunmehr wie folgt: Zunächst hat der Unterhaltspflichtige die Ansprüche minderjähriger unverheirateter und sogenannter privilegiert volljähriger Kinder zu erfüllen. Im Anschluss daran hat der Unterhaltspflichtige - soweit ihm weitere Zahlungen möglich sind - insbesondere die Unterhaltsansprüche derjenigen zu erfüllen, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind. Hierbei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Erst- oder Zweitehe: Haben sowohl der geschiedene Ehegatte als auch der neue Ehegatte Kinder zu betreuen, stehen sie einander im Rang gleich.
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf Folgendes hinweisen: Auch nach neuem Recht kann über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus Betreuungsunterhalt verlangt werden, vor allem wenn die Bedürfnisses des Kindes einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils entgegenstehen. Wie der Bundesgerichtshof vor einigen Tagen entschieden hat, werden hierbei an den neu verheirateten Ehegatten im Grundsatz die gleichen Anforderungen gestellt wie an den geschiedenen Ehegatten; demnach muss er - auch wenn die Rollenverteilung innerhalb bestehender Ehe Sache der Ehepaares ist - ggf. erwerbstätig sein und sich Einkünfte anrechnen lassen. Bezieht der neue Partner Elterngeld, so mindert dieses - soweit es den Betrag von 300,-- EUR übersteigt - ebenfalls seinen Unterhaltsanspruch. Besteht ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, so beinhaltet dieser im Übrigen grundsätzlich auch zusätzliche Mittel für eine angemessene private Altersvorsorge.“
Ihre Ansicht, dass die frühere Familie häufig in Armut lebe, während es der Zweitfamilie gut gehe, kann ich nicht teilen. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass auch sog.Zweitfamilien nicht selten in engen finanziellen Verhältnissen leben. In vielen Fällen ist es so, dass die zur Verfügung stehenden Mittel von vornherein nicht ausreichen, mehrere Kinder, den früheren Ehegatten und ggf. noch einen neuen Partner zu unterhalten. Das Unterhaltsrecht kann die vorhandenen Mittel leider nicht mehren, es kann lediglich für eine möglichst gerechte und ausgewogene Verteilung sorgen.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Joachim Fuchtel, MdB