Frage an Hans-Joachim Fuchtel von Ralf H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Fuchtel,
seit fünf Jahren verfolge ich bereits die politischen Bemühungen um ein Patientenverfügungsgesetz. Es gab dabei viele Verzögerungen, Durststrecken, aber auch interessante Ansätze. Nun droht das ganze Vorhaben an politischen Eitelkeiten zu scheitern. Das ist für mich nicht hinnehmbar!
Bei diesem Thema geht es um mein Leben und um meinen Tod und darum, beides zu gestalten. Es muss endlich Sicherheit geben. Ich möchte ein Dokument verfassen können, das diese Phase meines Lebens rechtsverbindlich regelt.
Im Augenblick versinken Betroffene, Angehörige, Ärzte und Vormundschaftsrichter tief im ethischen und juristischen Treibsand. Es hängt von der Person des Richters und damit vom Zufall ab, wie an Vormundschaftsgerichten über lebensverlängernde Maßnahmen entschieden wird.
Bitte denken Sie an die mehr als neun Millionen Menschen, die bereits eine Patientenverfügung verfasst haben! Ich bin mir sicher: Weit mehr hätten gern ein solches Dokument, bezweifeln aber, dass sich Ärzte im Ernstfall daran halten würden. Das sind unhaltbare Zustände, die nur durch ein Gesetz geändert werden können. Jeder der in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe bedeutet eine deutliche Verbesserung gegenüber der derzeitigen Praxis.
Es ist Ihre Pflicht, sich dafür einzusetzen, dass noch in dieser Legislaturperiode über ein Patientenverfügungsgesetz abgestimmt wird! Nehmen Sie Autonomie und Fürsorge am Lebensende ernst und schieben Sie diese wichtigen Entscheidungen nicht auf die lange Bank.
Bitte informieren Sie mich über Ihre Einstellung zum diesem Thema und wie Sie diesbezüglich weiter vorgehen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Hellbart
Sehr geehrter Herr Hellbart,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Auch ich unterstütze ausdrücklich eine deutlichere gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen, um den Menschen mehr Sicherheit für ihr Lebensende zu geben.
Das Thema Patientenverfügung ist jedoch ein sehr sensibles Thema und zugleich hochaktuell. Aus diesem Grunde hatte ich Ende März 2009 eine Diskussionsrunde zur Patientenverfügung im Kreiskrankenhaus Nagold initiiert. Hier hatten wir uns zusammen mit Vertretern der Kirche, von Hospizgruppen und Pflegeheimen der Frage gewidmet, was geschieht, wenn ein kranker Mensch nicht mehr selbst über die letzte Zeit seines Lebens entscheiden kann. Diese Veranstaltung hat die Schwierigkeit des Themas und die unterschiedlichen Vorstellungen bzgl. einer Patientenverfügung sehr gut verdeutlicht.
Ich unterstütze den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag von Wolfgang Bosbach, der den absoluten Lebensschutz an erste Stelle setzt und einen Missbrauch der Patientenverfügung ausschließen soll.
Der Entwurf regelt die Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung.
Dabei sieht der Entwurf zwei verschiedene Typen der Patientenverfügung vor:
Eine einfache Patientenverfügung erfordert nur Schriftform und die eigenhändige Unterschrift des Betroffenen. In ihr können im Voraus verbindliche Anordnungen über die eigene Behandlung im Fall eintretender Einwilligungsunfähigkeit getroffen werden. Auch ein Behandlungsabbruch ist danach für Arzt und Betreuer verbindlich, wenn der Patient an einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit leidet oder unwiederbringlich das Bewusstsein verloren hat. Ansonsten bleibt es dabei, dass Arzt und Betreuer eine am Wohl und den Wünschen des Betroffenen orientierte Entscheidung treffen müssen.
In der qualifizierten Patientenverfügung mit ärztlicher Beratung kann ein Behandlungsabbruch angeordnet werden, ohne dass es dabei auf das Krankheitsstadium ankommt.
Dazu ist eine umfassende vorherige ärztliche Aufklärung erforderlich. Auf die zunächst von uns geforderte zwingende notarielle Beurkundung der qualifizierten Patientenverfügung haben wir mittlerweile verzichtet, da diese von mehreren Seiten als zu große Hürde bezeichnet wurde. Wer sich in Kenntnis der Folgen seiner Erklärung sowie der medizinischen Zusammenhänge, Behandlungsmöglichkeiten und der medizinischen Folgen eines Behandlungsabbruchs freiverantwortlich gegen eine Behandlung entscheidet, wird danach rechtlich so behandelt, wie jemand, der bei vollem Bewusstsein eine vom Arzt angebotene lebenserhaltende Behandlung ablehnt.
Der Entwurf sichert damit meiner Meinung nach das Selbstbestimmungsrecht und die Würde im Sterben auch für den Fall, dass jemand über die Zustimmung zu einer Behandlung nicht mehr selbst entscheiden kann.
Am morgigen Donnerstag, den 18.06.2009, stehen die mittlerweile vier verschiedenen Gesetzesentwürfe zur Patientenverfügung und verschiedene Anträge wieder auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.
Was bisher scheinbar an - wie Sie es formulieren - "politischen Eitelkeiten" scheiterte, liegt in Wahrheit allerdings an der Schwierigkeit und Sensibilität des Themas. Über eine gesetzliche Verankerung der Patientenverfügung wird seit der letzten Wahlperiode ausführlich diskutiert. Dabei zeigt sich, dass immer wieder höchst unterschiedliche Vorstellungen über die Verbindlichkeit der Patientenverfügung aufeinander prallen. Sie sehen daher, dass wir es uns als Abgeordnete bei der Entscheidung nicht leicht machen.
Ob es daher dieses Mal zu einer Abstimmung über die Gesetzesentwürfe kommt, bleibt leider abzuwarten.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Fuchtel, MdB