Frage an Hans-Gert Pöttering von Paul G. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Pöttering,
im Zuge der anstehenden Europawahl interessiert mich Ihre Meinung zu folgendem Thema:
Vor etwas mehr als einem Monat haben Libyen und Italien die Vereinbarung getroffen, dass Libyen seine Grenzkontrollen verschärft, um Flüchtlinge dran zu hindern, die Mittelmeerküste zu erreichen und den riskanten und oft tödlichen Weg nach Europa anzutreten. Auch die EU-Institution Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) verfolgt, unterstützt von Deutschland, das Ziel, Flüchtlinge möglichst weit vor Europas Grenzen aufzuhalten. Senegal und Lybien unterhalten Auffanglager, in welche aufgefasste Flüchtlinge bis zu ihrer Abschiebung deportiert werden.
Aber ist dies der richtige Weg? Menschenrechtsorganisationen berichten von Misshandlungen und Vergewaltigungen, von dahinvegetierenden Kindern und dem Aussetzen von Flüchtlingen in der Wüste. Trotz starken Kontrollen steigt die Zahl der Flüchtlinge z.B. in Italien weiter stark an. Aufgrund der strengen Kontrollen weichen die Schlepper auf immer gefährlichere Routen zurück, zum Beispiel nicht mehr von Senegal auf die Kanaren sondern durch die Sahara und Lybien. Wer diese Gefahren und Strapazen auf sich nimmt lässt sich auch durch strengere Kontrollen nicht abschrecken. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Flüchtlinge sowieso durch Urlaubsvisa und mit dem Flugzeug nach Italien kommt halte ich die Frontex-Maßnahmen für eine sinnlose Verschlimmerung der Zustände.
Die Frage ist auch, können sich die EU und Deutschland bei zunehmender Überalterung das Einigeln leisten? Sollten wir nicht lieber die Immigration in geregelte Bahnen lenken und die Integration der Einwanderer fördern. Kurzfristig mögen dadurch vielleicht höhere Kosten entstehen, aber auf einen längeren Zeitraum gesehen ist dies die einzige Möglichkeit, Renten, Arbeitslosengeld und so weiter zu sichern.
Mich würde interessieren, wie Sie und Ihre Partei zu diesem Thema stehen.
Hochachtungsvoll
Paul Gabrysch
Sehr geehrter Herr Gabrysch,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Tragödien, die sich teilweise vor dem Küsten Europas abspielen, sind schrecklich und ich bedauere sie zutiefst. Um den sozialen Frieden in Europa zu erhalten, ist eine geregelte Flüchtlings- und Einwanderungspolitik auf europäischer Ebene notwendig. Wir sind nicht in der Lage, Menschen aus allen Ländern aufgrund wirtschaftlicher Gründe ohne Begrenzung aufzunehmen. Daher ist die Arbeit der FRONTEX wichtig.
Politischen Flüchtlingen muss aber natürlich der Weg zu uns offen bleiben. Den Kern der von Ihnen geschilderten Problematik müssen wir aber durch Entwicklungshilfe verändern. Wir müssen gerade in den afrikanischen Ländern Hilfe zur Selbsthilfe leisten - wir sollten alles dafür tun, dass die Menschen nicht aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen aus ihrer Heimat flüchten wollen. Das ist für alle die beste Lösung.
Die europäische Einwanderungspolitik versucht aber, der von Ihnen angesprochenen Überalterung entgegenzukommen - indem sie den Mitgliedsländern ermöglichen möchte, gezielt qualifizierten Menschen eine Möglichkeit des Aufenthalts in der Europäischen Union zu geben, aber auch Menschen die Möglichkeit, Wissen bei uns zu erwerben und dieses Wissen dann - als Teil der Entwicklungshilfe - in ihrer Heimat zu nutzen.
Ich denke, dass dieser ausgewogene Ansatz der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der beste ist.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Gert Pöttering