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Hans-Georg Faust
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Frage von Anke N. •

Frage an Hans-Georg Faust von Anke N. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Dr. Faust,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

1. Generika
Eine Einsparung von 8,1 Mrd. € sind ca. 20 % der Gesamtkosten - das ist viel. Sie haben recht, besser geht es vermutlich nicht.

2. GKV
Ihr Vergleich der beiden Familien stimmt so nicht ganz. In Ihrem Vergleich hat die gesetzlich versicherte Familie ein Einkommen von unter 2000 €.
Jede Familie mit beliebigem Einkommen kann sich bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versichern. Bei einem Einkommen über 3.675 € im Monat (Beitragsbemessungsgrenze ab 2009) gilt dann automatisch der Beitragshöchstsatz von 569,63 €.

Private Versicherungen sind nicht nötig, sondern Luxus.

In der Geschichte gab es, wie Sie auch schreiben, gravierende Änderungen und Fortschritte, die zur derzeitigen GKV geführt haben.

Wäre es nicht sinnvoll, diesen Weg weiter zu gehen und neue Änderungen einzuführen?

Eine allgemeine gesetzliche Krankenversicherungspflicht ohne Beitragshöchstsätze würde zu folgendem Ergebnis führen:

Wir haben zur Zeit ein Jahresgesamtlohneinkommen von rund 1.000 Mrd. € in der BRD.

Würden Arbeitnehmer 10 % und Arbeitgeber 8 % GKV Beiträge zahlen, ergäbe das allein 180 Mrd. €. Zur Zeit liegen diese Beiträge bei 150 Mrd. €

Hinzu kämen dann noch die Beiträge für alle sonstigen Einkommen, die ich aber nicht einschätzen kann.

Würden Sie diese Lösung befürworten? Falls nein, warum nicht?

3. Obergrenze Erstattungsfähigkeit
Das entlastet zwar die Krankenkassen, führt aber dazu, dass die Kranken die Kosten tragen müssen. Das halte ich für eine unglückliche Lösung.

4. Steuerfreibeträge
Das Absetzen von der Steuer erst dann vollständig möglich, wenn der Steuerbetrag höher ist als der Krankenkassenbeitrag. Es gibt Geringverdiener, bei denen keine oder kaum Steuern anfallen. Sie zahlen trotzdem den vollen Anteil von 15,5 % an der GKV ohne es absetzen zu können.

Oder zahlen Geringverdiener weniger als 15,5 %, wenn ihr Steuerbetrag niedriger ist als der Krankenkassenbeitrag?

Mit freundlichen Grüßen,

Anke Niebuhr

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Niebuhr,

besten Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre weitergehenden Ausführungen, die ich folgendermaßen beantworten möchte:

Entgegen Ihrer Annahme, handelt es sich bei meinem Beispiel um eine Familie, die mindestens 3.600 Euro im Monat an Einkünften erzielt. Diese Familie zahlt dann bei einem Beitragssatz von derzeit 14,4 Prozent und gesetzlichem Sonderbeitrag i.H.v. 0,9 Prozent 291,60 Euro im Monat an die gesetzliche Krankenkasse. Eine Familie, die wie Sie sie jetzt anführen 2.000 Euro/Monat an Einkünften erzielt, zahlt 162,00 Euro (144,00 Euro Beitrag plus 18,00 Euro Sonderbeitrag) monatlich. Sollte das Einkommen noch geringer ausfallen - z.B. bei 1.000/Monat ergibt sich ein Gesamtbeitrag in Höhe von 81,00 Euro/Monat - so sinkt auch die Beitragsbelastung entsprechend (vgl. hierzu auch Beitragsrechner der BARMER unter:
https://www.barmer.de/barmer/web/Portale/Versichertenportal/Leistungen_20und_20Beitr_C3_A4ge/Beitr_C3_A4ge_20_26_20Beitragsrechner/Beitragsrechner/Beitragsrechner.html?appInstanceId=1226933327610266&appView=employeeResultView&webflowTraceContainerToken=122693336273670 ).
Gleiches gilt im Übrigen auch für die Steuerbelastung: Denn je höher das Einkommen ist, desto höher ist auch die steuerliche Belastung. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf das Ergebnis der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd Nr. 25, vom 19.06.2008) aufmerksam machen: Nach Abzug von Steuern und unter Berücksichtigung der öffentlichen Transfers hatten die Familien des am zweitbesten verdienenden Zehntels 2003 nur noch ein knapp dreimal so hohes Nettoeinkommen wie Familien aus der vorletzten Einkommensklasse. Der ursprüngliche Abstand ist damit nicht nur um 90 Prozent geschrumpft, der Unterschied zwischen den Nettoeinkommen hat sich auch im betrachteten Zehnjahreszeitraum so gut wie nicht verändert. Der Grund: Die einkommensstarken Haushalte verdienen zwar immer mehr, sie geben aber auch immer mehr ab. So trugen die oberen 30 Prozent der Einkommensbezieher 1993 gut 68 Prozent zum Einkommenssteueraufkommen bei, zehn Jahre später hatte sich ihr Anteil sogar auf 72 Prozent erhöht. Außerdem schulterten sie zuletzt 53,5 Prozent der Sozialbeiträge - gegenüber knapp 51 Prozent im Jahr 1993. Und Deutschland gibt mit insgesamt über 700 Milliarden Euro mehr für Sozialleistungen aus als die meisten anderen Industriestaaten. Mit einem Nettoanteil von 27,6 % am Bruttoinlandsprodukt liegt die Bundesrepublik deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 20,5 %. Lediglich Frankreich weist eine noch höhere Quote auf, während die der klassischen Sozialstaaten Schweden und Dänemark niedriger liegt.

Des Weiteren sprechen Sie sich für das Modell einer "Bürgerversicherung" aus. Bekannterweise vertritt die Union wesentlich andere Positionen zu den Fragen der künftigen Finanzierung unseres Gesundheitssystems und hatte dies auch bereits in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2005 erklärt. Die CDU lehnt das Modell der Bürgerversicherung ab, weil es aus vielfachen Gründen nicht geeignet ist, die Probleme unseres Gesundheitssystems nachhaltig zu lösen. Anführen möchte ich hier diesbezüglich:

1. Bereits heute sind 90 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Die Einbeziehung der restlichen 10 % lässt keine grundlegende Beseitigung der Probleme der GKV erwarten. Das Hauptproblem der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nämlich darin, dass die beitragspflichtigen Einnahmen nicht Schritt halten mit den Ausgaben. Infolgedessen müssen die Beiträge ständig an die Entwicklung der Ausgaben angepasst werden. Diese Beitragssatzsteigerungen verteuern den Faktor Arbeit und behindern damit die Entstehung neuer Arbeitsplätze.

2. Zu glauben, dass eine Erweiterung des Kreises der Beitragszahler die Einnahmeprobleme der GKV löst, ist ein Irrtum. Zunächst einmal sind die hiervon betroffenen Beamten und Selbständigen mitnichten sog. Besserverdiener. Die Mehrzahl der Beamten wird durch Polizei und Lehrer gestellt und ihre Einkünfte liegen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Auch ist diese Bevölkerungsgruppe nicht gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung. Im Gegenteil, die Krankheitsstatistik weist den höchsten Krankenstand im Öffentlichen Dienst aus. Hinzu kommt, dass die Familienangehörigen von Beamten und Selbständigen in der GKV auch beitragsfrei mitversichert wären. Dies bedeutet, dass einer geringfügigen Mehrzahl von Beitragszahlern eine wesentlich größere Zahl von Anspruchstellern gegenüberstünde.

3. Die Anhebung der Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung, also auf 5.300 Euro würde den Höchstbeitrag zur Krankenversicherung von knapp 550 auf 820 Euro (Gesamtbeitrag von Versicherten und Arbeitgebern anteilig zu finanzieren) pro Monat ansteigen lassen. Dies hätte zur unmittelbaren Folge, dass es zu Beitragserhöhungen von fast 50 Prozent kommen würde. Das trifft vor allem Leistungsträger wie z.B. Facharbeiter, Existenzgründer, Handwerksmeister, etc.

4. Eine Pflicht zum Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung für alle Beamten würde voraussetzen, dass öffentliche Arbeitgeber auch für Beamte den halben Beitragssatz zur Krankenversicherung mitzahlen. Bisher sind sie davon befreit. Stattdessen zahlen die Städte, Gemeinde, Länder usw. den Beamten und Pensionären zwischen 50 und 80 Prozent der tatsächlichen Behandlungskosten über die Beihilfe zu. Den Restbetrag müssen die Beamten privat absichern.

5. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hatte schon im Jahr 2004 berechnet, das mit der Bürgerversicherung bis 2050 maximal eine Beitragssenkung um 0.2% möglich ist. Denn bereits heute sind 90 Prozent der Bevölkerung in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die Einbeziehung der restlichen 10 Prozent durch eine Bürgerversicherung kann kein Finanzierungsproblem lösen. Im Gegenteil: Zwar kommt es beim Übergang zu einer "Bürgerversicherung" durch die Ausweitung des Kreises der Beitragszahler zunächst zu einer Entlastung. Aber mehr Beitragszahler heißt auch mehr Leistungsempfänger. So müssten, wie bereits zuvor dargelegt, bei der Einbeziehung von Beamten in die "Bürgerversicherung" dort auch die nicht berufstätigen Ehefrauen und Kinder der Beamten beitragsfrei mitversichert werden. Folge: Keine Beitragssenkung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Georg Faust, MdB