Frage an Hans-Christoff Dees von Sylvia K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Thema: Arbeitslosigkeit
Sehr geehrter Herr Dees,
alamierende Bekanntgaben von Standortschließungen und Entlassungen in der Versicherungsbranche machen die Runde. Heute habe ich erfahren, das nun auch meine Familie (wieder einmal) betroffen ist. Trotz wahnsinniger Gewinne und Zukäufe von anderen Firmen trauen sich Vorstände/Manager der großen Versicherungskonzerne ihren Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit anzukündigen.(Heute geschehen bei der Aspecta/Talanxkonzern) Das Vermögen, welches die Mitarbeiter für die Aktionäre und die hochbezahlten Manager erwirtschaftet haben bleibt in der Hand einiger weniger Menschen, die dieses Geld zu ihren Lebzeiten ganz sicher nicht mehr ausgeben können. Warum werden Aktiengewinne nicht horrende versteuert, wenn auch nur 1 Arbeitsplatz trotz Riesengewinns verloren geht? Auch Aktionäre müssen für das Gemeinwesen haften, wenn ihr Gewinn alleine durch den Verlust von Arbeitsplätzen entsteht.
Immer weniger Menschen haben einen Arbeitsplatz und finanzieren damit unser Gemeinwesen. Die mutigsten (und zumeist auch klügsten) Köpfe gehen bereits ins Ausland, nachdem der deutsche Steuerzahler deren teure Ausbildung finanziert hat. Wann wollen Sie und ihre (meine Partei) endlich so dagegen vorgehen, das beim Wahlvolk nicht der Eindruck entsteht, das Politiker von der Wirtschaft und nicht vom Steuerzahler bezahlt werden? Was glauben Sie, wie lange der "Deutsche Michel" noch tatenlos zusieht, wenn sich die Lebensbedingungen immer weiter verschlechtern? Ich bin so wütend und habe Angst, das andere Menschen ihre Wut irgendwann nicht kontrollieren können.
Sehr geehrte Frau Kapmeyer,
Ihre Wut und Empörung kann ich sehr gut verstehen, insbesondere dann, wenn Ihre Familie unmittelbar betroffen ist. Ich selbst erinnere mich noch genau, wie ich (als Unbeteiligter) empört über die Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank gewesen bin, der auf der einen Seite stolze Gewinne verkündete und im gleichen Atemzug einen tausendfachen Personalabbau forderte. Solche Fälle häufen sich in letzter Zeit. Das finde ich - wie Sie - äußerst besorgniserregend.
Allerdings rühren Ihre Fragen an die Grundordnung unseres Wirtschaftssystems und daran, inwieweit Politik in solcherlei System überhaupt gestaltend und überwachend eingreifen kann. Deshalb sind sie von niemandem einfach zu beantworten. Es gibt für die Gesellschaft leider keine Möglichkeit, zwischen einem Personalabbau zu unterscheiden, der zwar bedauerlich, objektiv aber notwendig ist und einem, der aus Maßlosigkeit oder sogar billiger Effekthascherei zur kurzfristigen Steigerung der Aktienkurse geschieht. Allein darauf zu schauen, ob ein Unternehmen Gewinne oder Verluste macht, greift leider zu kurz.
So kenne ich aus eigener beruflicher Anschauung Situationen, wo ohne Rationalisierung und Kosteneinsparung dem Unternehmen -trotz schwarzer Zahlen- bereits mittelfristig Geld gefehlt hätte, um im Wettbewerb gegen große Konkurrenten bestehen zu können (und jedes Nichtbestehen wäre am Ende mit Konkurs und vielfachem Verlust von Arbeitsplätzen bestraft worden). Um diesem Unterscheidungsproblem wenigstens etwas zu Leibe zu rücken, beschäftige ich mich persönlich mit einer Lösung, die unsere holländischen Nachbarn gefunden haben: Unternehmen, die Mitarbeiter entlassen, müssen die wirtschaftliche Notwendigkeit gerichtsfest (!) nachweisen, sonst können die verantwortlichen Geschäftsführer für die gesellschaftlichen Folgekosten persönlich haftbar gemacht werden.
Mir ist bewusst, dass Ihrer Familie diese Überlegungen im Augenblick wenig helfen. Als arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion bemühe ich mich jedoch, mich für eine Verbesserung der Situation von Arbeitslosen und Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, einzusetzen. Das ist als Vertreter der Opposition nicht einfach, zumal der CDU-geführte Senat in Hamburg die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik immer weiter kürzt und ansonsten darauf hofft, der Markt werde es irgendwie schon richten. Dass er das nicht tut, haben Sie und viele andere Menschen bereits schmerzlich erfahren müssen. Als Sozialdemokraten werden wir jedoch nicht aufgeben, für eine gesellschaftliche wie politische Veränderung dieser unerträglichen Situation zu kämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hans-Christoff Dees