Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael R. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Ströbele,
als in Spanien lebender deutscher Staatsbürger beobachte ich zur Zeit mit Sorge das Gesetzgebungsverfahren zur Blockade von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten. Nachdem der Entwurf zu dem entsprechenden Gesetz am vergangenen Freitag im Kabinett verabschiedet wurde haben sich für mich einige drängende Fragen aufgetan.
1) Nach den Äußerungen von Justizministerin Zypries macht ein Internetnutzer, nach der Verabschiebung des Gesetzes, sich bereits strafbar, wenn er nicht nachweisen kann, dass es sich um das versehentliche Aufrufen einer gesperrten Seite gehandelt hat. Dies bedeutet, nach meinem Verständnis eine Umkehr des Unschuldprinzips, da einem Betroffenen nicht die Schuld nachgewiesen, sondern derjenige seine Unschuld beweien muss. Ist dies so?
2) Eine große Anzahl von Experten hat erklärt, dass die Sperre von Internetseiten auf DNS-Basis nicht geeignet ist um die Verbreitung von kinderpornographischen Inhalten im Internet einzudämmen, weil diese zum einen, ohne tiefergehende Kenntnis der Technik, problemlos zu umgehen ist. Die Inhalte werden lediglich für nichtinteressierte Internetnutzer ausgeblendet. Es ist allerdings bewiesen, dass es möglich ist Internetseiten welche entsprechende Inhalte aufweisen, in nahezu allen Ländern wo diese gehostet werden, innerhalb von max. 72 Stunden komplett aus dem Internet entfernen zu lassen.
Warum ist eine darauf zielende Vorgabe nicht in den Gesetzentwurf mit aufgenommen worden?
3) Die durch das BKA angefertigte Liste wird ausschließlich durch dieses selbst bewertet und unterliegt nicht der Kontrolle eines unabhängigen Gremiums, welches z, B. die Rechtmäßigkeit der einzelnen Einträge prüft.
Steht dies nicht in krassem Widerspruch zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Bubdesrepublick Deutschland?
Zussätzlich wächst in mir die Sorge, dass hierdurch einer möglichen Willkür beim BKA Tür und Tor geöffnet wird. Kann diese Sorge begründet widerlegt werden?
Mit freundlichem Gruß,
Michael Remus
Sehr geeherter Herr Remus.
Ihre Sorge ist begründet.
In der Tat gibt der Gesetzentwurf zu viel Kritik Anlaß. Sie nennen nur einige Punkte.
Gerade § 8a Absatz 5 des Telemediengesetzes sieht die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die bei der Sperrung von "Kinderporno"-Seiten anfallen, für Zwecke der Verfolgung von Straftaten nach § 184 d Strafgesetzbuch ohne Einschränkungen vor. Das Grundrecht auf Fernmeldegeheimnis wird insoweit ausdrücklich eingeschränkt. Da steht zwar nichts von Umkehrung der Beweislast, aber damit besteht die Gefahr, daß Empfänger von Stoppmeldungen ziemlichen Ärger durch Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden ( Durchsuchung, Beschlagnahme des PC usw.) bekommen können und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich sie selbst und auch noch gezielt und vorsätzlich versucht haben, eine gesperrte Seite anzuklicken.
Zu den technischen Einzelheiten und Möglichkeiten der Sperre von Internetseiten auf DNS-Basis kann ich nicht viel sagen, weil mir dazu die Fachkenntnisse fehlen.
Ich weiß nur aus einer Anhörung von Fachleute, die in der Grünen Fraktion durchgeführt wurde, daß Kenner eine Sperre mit wenigen Klicks umgehen können und daß nach den Erfahrungen in Skandinavien inkriminierte Seiten heute schon mit den Umgehungsmöglichkeiten angeboten werden.
Richtig ist auch, daß eine richterliche oder andere unabhängige Kontrolle der Sperrlisten vor deren Weitergabe an die Diensteanbieter nicht vorgesehen ist.
Allerdings bleibt die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung in jedem Einzelfall, zumal wenn die Sperre zu einem Strafverfahren führt.
Außerdem gehe ich auch davon aus, daß das Gesetz, wenn es verabschiedet werden sollte, beim Bundesverfassungsgericht landet und dort verfassungsrechtlich überprüft wird.
Wenn ich richtig erinnere, geht davon auch die Justizministerin aus.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele .