Frage an Hans-Christian Ströbele von Ümüt K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
wie Sie sicher aus meinem Namen schließen können, habe ich mit Integration so manche Erfahrung machen dürfen.
Als wesentlichen Aspekt für eine erfolgreiche Integration sehe ich die CHANCENgleichheit im Bereich beruflicher Entfaltung.
Als wichtigen Schritt zu einer guten Integration sehe ich den Akt der Einbürgerung.
Warum darf aber bsplw. eine hier geborene "Ausländerin" mit unbefristetem Aufenthaltsstatus, die eine abgeschlossene ReNo-Ausbildung hat, Jahre in ihrem Berufszweig tätig war, dann unmittelbar nach ihrem Erziehungsjahr vom Arbeitgeber gekündigt wurde, dadurch ALG-II-Empfängerin geworden ist, nicht eingebürgert werden?
Der Anspruch auf ALG-II steht ihr doch sarkastisch gesehen schlechtestenfalls eine "Ewigkeit" zu, warum wird nach wirtschaftlichen Aspekten zwischen einem reichen Ausländer und dem zweitklassigen armen differenziert!?
Aus dem Hintergrund, dass Ausländer überproportional in der ALG-II-Bezieher-Statistiken auftauchen, sehe ich in dieser Regelung eine versteckte Diskriminierung.
Diese Regelung schränkt auch die BerufsCHANCEN dieser Person bezüglich einer Bewerbung für einen "Beamtenberuf" ein.
Diese Regelung ist m.E. eine willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund, aufgestellte Hürde, mit dem faden Beigeschmack einer schikanösen Pönalisierung von Ausländern für den Erhalt von Sozialleistungen.
Nun frage ich Sie, was der sachliche Sinn und Zweck dieser Regelung ist. Ich sehe keinen.
Mit freundlichem Gruß Ü. Kocadag.
Sehr geehrter Herr Kocadag,
Ich stimme Ihnen zu, daß erfolgreiche Integration vor allem berufliche Chancengleichheit voraussetzt und Einbürgerung dazu beitragen kann.
Allerdings trifft Ihre Annahme nicht zu, daß ALG II-EmpfängerInnen grundsätzlich nicht eingebürgert werden dürfen.
Ein/e Ausländer/in kann zwar nach 8 Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland Einbürgerung nur beanpruchen, u.a. wenn er/sie "den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat" (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Staatsangehörigkeitsgesetz). In diesen Fällen steht also in der Tat ALG II-Bezug einem Einbürgerungs-ANSPRUCH entgegen.
Daneben "kann" jedoch ein/e Ausländer/in auch dann eingebürgert werden, u.a. wenn er/sie "sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist" (sogen. Ermessens-Einbürgerung, § 8 Abs. 1 Nr. 4 Staatsangehörigkeitsgesetz): hier sperrt also ein vorübergehender ALG II-Bezug nicht.
Der Grund für diese Regelungen ist wohl, den Anreiz für eine Einbürgerung aus rein wirtschaftlichen Gründen zu verringern und umgekehrt den Anreiz für Einbürgerungswillige zu erhöhen, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.
Einbürgerungswilligen können den Antrag dann nochmals zu stellen, wenn sie kein ALG II mehr beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ströbele