Frage an Hans-Christian Ströbele von Salko D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
es freut mich, dass Sie hier häufig und ausführlich antworten.
Die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, die am 14.01. von der Bundesregierung als Entwurf formuliert wurde ist wohl wirklich das größte. Ich habe schon heute ein komisches Gefühl, wenn ich mich in kritischen Foren äußere. In Zukunft soll es also erlaubt sein, ohne richterlichen Beschluss und ohne jedwelche Anonymisierung des Nutzers das Verhalten des Internetnutzers aufzuzeichnen und zu analysieren. Mir wird langsam Angst und Bange, dass ich als Bürger, Ziel ständig neuer, verdachtsunabhängiger "Anklagen" werde.
Auch die Industrie steht in den Startlöchern, Frau Zypries dürfte mit dem für 2009 geplanten neuen Urheberrechtsgesetz ganz im Sinne großer bekannter Lobbyverbände handeln. Dem Bürger beschleicht zudem immer deutlicher das Gefühl, dass in DE die Gesetz immer weiter in Richtung Industrie verschoben werden.
Herr Ströbele, ich habe immer mehr das Gefühl, dass man als Demonstrant für Bürgerrechte von der Politik nur müde belächelt wird, Herr Schäuble beweist meine These nicht selten durch abfällige Kommentaren.
Was gedenkt die politische Opposition, gegen diese sehr bedenklichen Entwicklungen zu unternehmen? Auch ist es unsäglich, dass immer wieder Gesetze verabschiedet werden, die von vorn herein keinen Bestand vor dem BVG haben. Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis das GG nach Schäuble´s wünschen umgestaltet wird.
Dass der Bundestrojaner nun auch gegen organisierte Kriminalität einsetzbar sein soll, bestätigt meine These, dass jedes neue Instrument Begehrlichkeiten weckt und diese früher oder später immer erfüllt werden. Schauen Sie auf das Mautsystem das zur Fahndung missbraucht wird (da auch ich in Hessen gescannt werde, stehe ich offensichtlich unter ständigem Tatverdacht!), schauen Sie auf die Vorratsdatenspeicherung; wann werden die Rechteverweter meine Daten erhalten? Lange wird es nicht mehr dauern, wette ich!
MfG!
S. Dielmann
Sehr geehrter Herr Dielmann.
Nur zur Klarstellung: Die Vorratsdatenspeicherung betrifft nicht die Inhalte der Kommunikation, sondern "nur" die Telekommunikationsverbindungsdaten, also wer hat wann mit wem wie lange kommuniziert, nicht was war Inhalt der mails oder der Telephongespräche.
Aber das ist schlimm genug. Deshalb hat die grüne Bundestagsfraktion Klage beim Bundesverfssungsgericht eingereicht und ich habe mich mit einigen Kolleginnen und Kollegen zusätzlich an der Massenverfassungsbeschwerde gegen das Gesetz beteiligt.
Was kann man sonst noch machen. Ich könnte mir die Antwort leicht machen und raten, bei der Bundestagswahl Bündnis 90/Die Grünen zu wählen. Aber ich fürchte, das wird nicht reichen. Der Protest muß andauern auf der Straße, in den Medien und möglichst überall. Es gibt genügend Initiativen, denen man sich anschließen kann.
Bisher ist das Bundesverfassungsgericht standhaft geblieben und hat beharrlich die Verstöße gegen die Freiheitsrechte in diversen Gesetzen immer wieder als verfassungswidrig beanstandet und für nichtig erklärt. Wir können nur hoffen, daß es so bleibt.
Aber Sie haben recht, die Gefahr wird immer größer, daß bei der Neubesetzung der Stellen beim Bundesverfassungsgericht von den großen Parteien versucht wird umzusteuern. Bisher hat des nicht geklappt. Die gewählten Richter haben sich meist anders entwickelt und anders entschieden, als von ihnen erwartet.
Damit das so bleibt, haben wir vorgeschlagen, die Richter in einem transparenteren Verfahren zu wählen. Die Kandidaten sollen sich wie in den USA einem öffentlichen Hearing im Bundestag stellen. Und dann sollte der ganze Bundestag die Richerinnen und Richter wählen, wie dies das Grundgesetz vorsieht. Heute werden die Namen der Kandidaten weitgehend geheim zwischen den Spitzen der großen Parteien ausgehandelt und dann wählt ein Ausschuß.
Auch im übrigen gebe ich Ihnen recht. Gerade das Schicksal des Gesetzes über die Verwendung der Daten, die zur Erhebung der Mautgebühren gesammelt werden, zeigt, daß einmal vorhandene Daten Begehrlichkeiten wecken, denen dann bald nachgegeben wird. Im Mautsteuergesetz stand noch ausdrücklich drin, daß die Daten nur zur Gebührenerhebung genutzt werden dürfen. Nun sollen sie auch zur Ermittlung von Straftäter dienen.
Deshalb also doch genau überlegen, wer bei der nächsten Wahl die Stimme kriegt.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele