Frage an Hans-Christian Ströbele von Alexander von L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
auch ich bin sehr besorgt und traurig zugleich über die Entwicklung in Gaza, die einen unaussprechlichen Ausmaß erreicht hat. Jeden Tag sterben dort unschuldige Zivilisten, darunter sind mehr 300 Kinder und 100 Frauen, insgesamt über 900 Menschen, die auf bestialische Art ums Leben kamen. Ferner verzeichnet dieser Krieg mehr als 5800 Verletzte auf der palästinensischen Seite. Die israelische Seite verzeichnet 4 tote Zivilisten, 10 tote Soldaten und 110 Verletzte.
Der jetzige Ministerpräsident Israels, Ehud Olmert, brüstet sich öffentlich damit, dass er die USA dazu gebracht hat, sich bei der UN-Abstimmung zu enthalten.
Der US-amerikanische Sender CNN und die Washington Post berichten darüber, dass es nicht die Hamas war, die vor dem Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza die Waffenruhe gebrochen hatte.
Mark Regev, der Sprecher der israelischen Regierung, bestätigte einem Journalisten in einem vor drei Tagen veröffentlichten TV-Interview, dass während des viermonatigen Waffenstillstands keine Hamas-Raketen auf Israel abgefeuert wurden und auch kein Israeli durch Raketen getötet wurde.
So frage ich Sie, Herr Ströbele, ob dieser Krieg, nach all den vorhandenen Erkenntnissen und Konstatierungen, nicht aus einer anderen Perspektive zu betrachten ist.
Welche konkreten Lösungen hat die deutsche Regierung, um diesem Konflikt ein Ende zu bereiten?
Warum schweigt die deutsche Regierung, wenn es darum geht, Fragen zu beantworten, die die deutschen Waffenlieferungen nach Israel betreffen?
Zu den Zeiten der Nationalsozialisten haben viele Deutsche den Völkermord in Deutschland und ganz Europa nicht sehen wollen und darüber geschwiegen - sehr bedauerlich, dass es überhaupt soweit kommen konnte! Sind wir aber wieder so weit, ein Volk von Mittätern, durch unser Schweigen, zu werden?
In der Hoffnung, dass Sie mir meine Fragen beantworten können, verbleibe ich
mit freundlichen Grüssen
Alexander von Linden
Sehr geehrter Herr von Linden.
Den Krieg in Gaza sehe ich aus kritischer Perspektive, von der ich vermute, daß sie Ihrer ähnlich ist.
Bereits am 2. Januar hatte ich auf eine Frage des Herrn Müller hier im abgeordnetenwatch meine Position beschrieben. Den Text füge ich nochmal an: Die Eskalation des Krieges halte ich nicht für gut und für unverhältnismäßig. Der Auffassung der Bundeskanzlerin, allein die Hamas sei schuld an dieser Verschärfung des Krieges, halte ich nicht für richtig.
Die nicht hinnehmbaren und schrecklichen Raketenangriffe der Hamas, die vor allem die Zivilbevölkerung in Israel bedrohen und Tod und Zerstörung brachten, waren Grund und Anlaß für die fürchterlichen Luftangriffe,gibt die israelische Regierung an, mit inzwischen vielen Hunderten von Opfern aus der Zivilbevölkerung in Gaza. Aber doch nicht allein diese sind die Ursache. Dazu gehören auch die während des Waffenstillstandes andauernden extralegalen todbringenden Luftangriffe auf Hamas-Verdächtige, bei denen immer wieder ebenfalls zahlreiche Zivilisten getötet wurden, und vor allem die andauerde totale Abriegelung Gazas, die das Elend und die Perspektivlosigkeit in diesem riesigen Flüchtlingslager immer unerträglicher werden ließ.
Die Eskalation der Gewalt wird nicht zu einer Befriedung führen, sondern zu mehr Leiden und Haß, die wieder neue Gewalttäter und schrecklichere Gewalttaten hervorbringen wird.
Die Alternative ist ein möghlichst baldiger Waffenstillstand und vernünftige und ernsthafte Verhandlungen, wie sie nach der Ermordung von Rabin und dem Tod von Arafat nicht mehr stattgefunden haben.
Welche konkreten Lösungen die Bundesrregierung für die Lösung des Konflikts hat, kann ich Ihnen umfassend nicht schreiben. Da müßten Sie bei der Bundesregierung direkt nachfragen.
Auf Initiative der grünen Fraktion hat heute eine Debatte zum Gazakrieg im Plenum des Bundestages stattgefunden. Alle Fraktionen haben ihre Positionen nochmal in der Öffentlichkeit dargelegt. In der Debatte hat der Außenminister mitgeteilt, daß die Bundesregierung sich für den von der UNO geforderten Waffenstillstand einsetzt. Wie es konkret dazu kommen soll, hat er in den Einzelheiten nicht erläutert. Die Bundesregierung wird an Ägypten Kenntnisse und technisches Gerät zur Verfügung stellen, damit die Lieferungen von Waffen nach Gaza unterbunden werden kann. Damit soll eine Voraussetzung für die Bereitschaft Israels zur Beendigung des Krieges geschaffen werden.
Warum sich die Bundesregierung zur Frage der andauenden Lieferung von Waffen an Israel nicht äußert, weiß ich nicht. Auch hierzu kann ich für die Bundesregierung nicht sprechen. Ich kann nur vermuten, daß sie sich nicht festlegen will. Eigentlich sind Waffenexporte in Krisegebiete nach deutschen Ausfuhrregelungen untersagt.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele