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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Stefan Z. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Stefan Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

der EU-Reformvertrag von Lissabon enthält, ebenso wie der gescheiterte Verfassungsvertrag, die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur permanenten militärischen Aufrüstung. Inwiefern konnten Sie Ihre friedenspolitischen Vorstellungen mit der Zustimmung zu diesem Vertrag vereinbaren?
Halten Sie die Vorgehensweise der bloßen Umbenennung bzw. der rein formalen Abänderung des alten, durch Volksabstimmungen abgelehnten Verfassungsvertrages zum Zweck der Ausschaltung des Bürgerwillens für vereinbar mit demokratischen Standards? Ist es nicht aberwitzig, dass ausgerechnet ein Vertrag, der gegen den erklärten Willen der Bevölkerung durchgedrückt werden soll, deren demokratische Rechte verbessern soll?

Mit freundlichen Grüßen, Stefan Zeuge

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Zeuge.

In der Tat ist die Aufrüstungsklausel ein schlimmer Mangel des Lissabon-Vertrages wie schon vorher der EU-Verfassung.
Ich habe gerade diesen Punkt selbst immer wieder heftig kritisiert, nicht nur weil eine solche "Aufgabe" oder Zielvorgabe in eine Verfassung nicht reingehört, sondern vor allem weil diese Klausel mit den Friedesaussagen und Friedensbeteuerungen in Verfassung und Vertrag nur schwer in Einklang zu bringen sind.
Mein Abstimmungsverhalten habe ich mehrfach auch in Antworten auf Fragen in abgeordnetenwatch erläutert. In meiner homepage ist meine Auffassung bund Begründung auch nachzulesen. Sie läßt sich etwa so zusammenfassen:
Die derzeit ohne EU-Verfassung und Lissabon-Vertrag bestehene Rechtslage enthält fast alle zu recht kritisierten negativen Teile bereits als geltende Vertragslage und damit geltendes Recht und zwar aufgrund der schon längst abgeschlossenen und ratifizierten Verträge.
Der Lissabonvertrag verändert also die bestehende Rechtslage gar nicht wesentlich.
Er enthält aber neue zusätzliche Bürger- und Grundrechte und gibt dem Europäischen Parlament mehr - wenn auch noch nicht genug - Kompetenzen und Mitwirkungsrechte. Insgesamt überwiegen die Vorteile verglichen nicht mit dem Wünschenswerten, sondern mit der derzeitigen Rechtslage.
Sie haben auch recht mit Ihrer Kritik daran,daß in Deutschland und anderen europäischen Ländern keine Volksabstimmung über das grundlegende EU-Vertragswerk oder vorher über die EU-Verfassung staatgefunden hat und nicht stattfindet. Das ist ein Mangel an Legitimation. Deshalb habe ich mich sehr für eine Volksabstimmung und eine Änderung des Grundgesetzes eingesetzt, um eine Volksabstimmung möglich zu machen. Leider ohne Erfolg.
Jetzt kommt es darauf an, die Grundrechte und Grundfreiheiten aus den Verträgen offensiv geltend zu machen und einzufordern und das neu zu wählende europäische Parlament, muß seine zusätzlichen Möglichkeiten noch besser nutzen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele