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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Ralf O. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

1) Soweit ich gehört habe, sind sie für den Bau von Moscheen.
Bei aller Liebe für die Multikulturalität , gilt es doch aber auch folgendes abzuwägen: Viele säkulare Muslims, die gar nicht in die Moschee gehen wollen und ihre Ruhe vor der Religion haben wollen, werden durch die Präsenz von Moscheen durch gesellschaftlichen Druck quasi gezwungen dort hinzugehen.
Unterlaufen sie dadurch nicht den Säkularismus und fallen fortschrittlichen Arabern und Türken in den Rücken?

2) Wie stehen Sie und die Grünen zu einer NATO-Erweiterung
um Georgien und die Ukraine? Auf der einen Seite denke ich mir: Dann wäre die NATO und die EU vollständiger. Aber andererseits denke ich: Das wäre mit Risiken verbunden und man muß sich auch einmal in Rußland hineinversetzen, das auch noch Militärbasen an seiner Grenze befürchtet. Obama hat sich bisher noch nicht dagegen geäußert, Außenministerin Hillary Clinton sowie der Nationale Sicherheitsberater NATO-Exchef James Jones sind klare Befürworter. Besteht nicht die Gefahr eines Neuen Kalten Krieges, ja vielleicht sogar einer militärischen Auseinandersetzung mit Rußland? Wäre Georgien in der NATO gewesen, hätten wir jetzt nach seiner kriegerischen Provokation an Rußland einen handfesten Krieg zwischen NATO und Rußland.Sakaschwili hat inzwischen einen NATO-Georgienrat sowie immense Wirtschaftshilfe und die jährliche Prüfung seiner Mitgliedschaft anstelle des Membership Action Planes(MAP) durchgesetzt.Zur Zeit reist Hassadeur Sakaschwili in geheimer Goodwilltour durch Europa, u.a. auch in Deutschland(zuletzt Garmisch-Partenkirchen), um für seine Sache zu werben.Wäre nicht seine Entfernung aus dem Amt Bedingung für weitere Konzesssioen oder lehnen sie dies grundlegend ab?

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Ostner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Ostner.

Richtig ist, daß ich für eine Gleichbehandlung der Weltreligionen in Deutschland bin. Da die christlichen Religionsgemeinschaften sehr viele Kirchen in Deutschland haben und, wenn erforderlich etwa in Neubaugebieten, auch weitere Kirchen bauen, dann ist es nur recht, daß auch Moscheen gebaut werden dürfen, wenn genug Gläubige dies wünschen. Viele Moscheen sind in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen Städten Deutschlands entstanden, meist zunächst improvisiert und als vorübergehende Lösung in Wohn- oder oft auch in Hinterhäusern. Deshalb ist der Wunsch verständlich, nun auch neue Moscheen zu errichten, weil viele Gläubigen im Land bleiben und ihren Glauben praktizieren wollen. Selbstverständlich ist aber auch, daß niemand dazu gezwungen werden darf, eine Moschee aufzusuchen und dort zu beten. Auch gesellschaftlicher Druck darf nicht ausgeübt werden. Das gilt genauso für christliche Kirchen. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß ein solcher Druck auf Migranten aus islamisch geprägten Ländern in Deutschland häufiger ausgeübt wird, als auf Christen deutscher Herkunft vor allem in ländlichen Gebieten. Ich kenne viele Menschen aus arabischen Ländern oder aus der Türkei, die sich selbst als Moslems sehen oder auch nicht religiös sind und die keine Moschee aufsuchen. Genauso wie es viele Christen gibt, die nicht in die Kirche gehen. Die strikte Trennung von Religion und Staat halte ich für eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft. Leider ist sie in Deutschland noch zu wenig realisiert. Das hat aber nichts mit dem Bau von Kirchen oder Moscheen durch die Religionsgemeinschaften zu tun, denn die Religionsfreiheit - dazu gehört auch die Möglicfhkeit, die Religion zu praktizieren - ist durch die Verfassung garantiert.

Von einer Erweiterung der Nato auf Georgien und die Ukraine halte ich überhaupt nichts. Ich bin strikt dagegen, weil ich fürchte, daß damit die Konfrontation der Nato zum größten europäischen Staat, Rußland, völlig unnötig verschärft würde. Zu recht muß Rußland sich dann durch die Nato militärisch eingekreist sehen. Und wenn dann rund um Rußland noch Natoraketen stationiert werden, wie die USA dies schon für die westliche Seite Rußlands vorsehen, wird das teuere und gefährliche Wettrüsten dramatisch ansteigen. Schon gar nicht dürfen Staaten in die Nato aufgenommen werden, die Grenzkorrekturen mit kriegerischen Mitteln betreiben wollen. Zutreffend weisen Sie darauf hin, welche Konsequenzen es gehabt hätte, wenn Georgien unter seinem derzeitigen Präsidenten schon Natomitglied wäre. Kaum jemand zweifelt noch daran, daß dieser mit georgischem Militär den letzten Krieg gegen russische Truppen hatte beginnen lassen. Nein, eine weitere Ausdehnung der Nato ist der falsche Weg. Damit wird Europa nicht friedlicher.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele