Frage an Hans-Christian Ströbele von Joao C. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
ich habe eine sehr konkrete Frage. Wie kann es sein, dass sich in ihrem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg Konzerne und Investoren wie P. Anschutz über sämtliche Bauvorschriften hinwegsetzen können (die Privatleute strengstens einhalten müssen ) und mit Bausünden wie der O2-World (zweitgrößte Mehrzweckhalle Deutschlands) ohne vorherige Befragung/Beteiligung der Bevölkerung kulturelle Einrichtungen vernichtet werden, die das Gebiet im Vorfeld erst interessant gemacht haben.
Der Begriff der "Creative Class" als Motor wirtschaftlicher Entwicklung ist heute in aller Munde und findet in den USA schon lange Eingang in städteplanerische Konzepte. Nur in Berlin werden kulturell einzigartige Orte, die genau diese Kreative Klasse anziehen und das Image Berlins in New York und London ausmachen, eingestampft.
Ich frage Sie nun, wie es sein kann, dass für die O2-Arena:
- denkmalgeschützte Reste der Mauer (East Side Gallery) entfernt wurden, nur, dass O2 einen (völlig nutzlosen) direkten Anlegesteg an der Spree hat?
- eine (von drei!) gigantischen freistehenden und kilometerweit sichtbaren Werbetafeln, die Tag und Nacht leuchten direkt an die Spree setzten kann, die gelinde gesagt nicht nur nicht ins Stadtbild passt und die Autofahrer blendet, sondern auch den, vormals bei Touristen wie Einheimischen beliebten, Ausblick von der Oberbaumbrücke dermassen verschandelt, dass selbst Befürworter der Halle diese als Frechheit empfinden?
- die Halle mit 2 Millionen EUR Subventionen aus öffentlichen Geldern gefördert wird, während gleichzeitig die Bezuschussung der bereits vorhandenen landeseigenen Veranstaltungshallen (Max-Schmeling-Halle, Velodrom) steigt, da diese zukünftig weniger ausgelastet sein werden?
- Hier auf Kosten von kreativen Kulturbetrieben ein "Luxus-Entertainment-Viertel" gebaut wird, das alte Konflikte neu entfacht?
Trotz dieser kritischen Fragen auch ein großes Lob für ihre - Sie sind für mich derzeit der einzige Grund wählen zu gehen.
Sehr geehrter Herr Carpinteiro.
An der Planung der Bebauung des Geländes zwischen Bahn und Spree in den neunziger Jahren war ich nicht beteiligt. Leider. Leider haben wir alle uns zu spät darum gekümmert. Aber nach allem, was ich heute weiß, hat die gesetzlich vorgesehene Bürgerbeteiligung sehr wohl stattgefunden. Allerdings haben sich nur sehr wenige dafür, wie die Entwicklung aussehen sollte, interessiert. So konnte es zu der Planung und Genehmigung von Bauvorhaben kommen, die wir heute so kritisch sehen. Der erfolgreiche Bürgerentscheid, den ich unterstützt habe, zeigt, daß die Entwicklung so von der Mehrheit der Bevölkerung dort nicht gewünscht wird. Ich bin kein Fachmann für Baurecht und die Einhaltung von Baurecht, aber soweit ich weiß, sind alle gesetzlichen Bauvorschriften eingehalten worden.
Die Werbetafeln für O2 ärgern mich auch jedes Mal, wenn ich abends über die Oberbaumbrücke fahre. Vor allem die eine stört echt den nicht nur bei Sonnenuntergang wunderbaren Blick Richtung Alex. Aber auch sie sollen rechtmäßig genehmigt genehmigt worden sein. Sie stören viele. Sie wieder abzubauen, ist deshalb ein wichtiges Anliegen. Aber ohne Zustimmung von Anschütz wird dies nur schwer möglich und sehr teuer sein.
Ich weiß nicht in welcher Höhe Zuschüsse gezahlt wurden. Wenn es zwei Millionen waren, dann wohl im Rahmen der normalen Berliner Bauförderung. Vermutlich kommt es dabei nicht darauf an, daß damit anderen Hallen in Berlin Konkurrenz gemacht wird. Völlig recht gebe ich Ihnen bei dem Hinweis auf die Besonderheiten der Creativ-Kultur, die sich am Spreeufer und in Friedrichshain entwickelt hat. Auch der Hinweis auf deren bundesweite und gar internationale Bedeutung ist richtig.
Gerade dies war ein Grund, warum ich den Vertreter der Investoren vor einigen Wochen zusammen mit Vertretern von "Mediaspree versenken" und der Bezirksverordnetenversammlung Kreuzberg-Friedrichshain in den Bundestag eingeladen hatte, um darauf hinzuweisen und davon zu überzeugen, daß diese Creative-Szene von großer Bedeutung für die Entwicklung des Gebiets sein kann und es sich lohnt, mit diesem Pfund zu wuchern.
Ich gebe die Hoffung nicht auf, daß es doch noch gelingt, in den inzwischen laufenden Verhandlungen der Beteiligten mit dem Sonderausschuß der BVV entscheidende Änderungen der Bebauung doch noch zu erreichen und auch die eine oder andere Werbetafeln zu beseitigen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele