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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Paul B. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Paul B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

meine Frage handelt nicht direkt von einem politischem Problem, was es zu lösen gilt. Ich möchte vielmehr ihre Meinung zu einem Thema wissen.
Es geht um die Präsenz radikal-antifaschistischer Gruppen auf Demonstrationen hier in Berlin. Ich selbst bin 26 Jahre alt, politisch interessiert und bei einigen Demos dabei. Als Beispiel möchte ich die "Freiheit statt Angst"-Demo anführen, an der Sie übrigens auf dem Fahrrad an mir vorbeiradelten.
Als sich der Demonstrationszug bei herrlichem Wetter und mit mehreren tausend Menschen in Bewegung setzte, war u.a. die "Antifaschistische Aktion" mit dabei. Als der Demonstrationszug ca. auf Höhe des ehem. Palast der Republik ankam, stießen eine Gruppe Vermummter quer durch die Menge, laufend und einander Signale zurufend. Dies wiederholte sich, ohne das eine klare Ursache zu erkennen war. Die Polizei säumte den Zug, und wurde ebenfalls nervös. Frauen mit Kindern und grünen Luftballons blieben wie angewurzeltz stehen, und mir selbst wurde auch ganz anders, denn Eskalation lag in der Luft. Zum Glück blieb es friedlich.

Wie kann der schleichenden Radikalisierung der friedlichen Prostestbewegung begegnet werden? Ich kann die Motivation und Verzweifelung verstehen, die angesichts totaler Überwachung und beschnittener Bürgerrechte wächst. Doch fürchte ich, das die Entwicklung -gerade bei Antifa-Demos bei Naziaufmärschen- zivile Protestierende in Zukunft vom Demonstrieren fernhalten könnte.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
Paul Bergmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bergmann.

Das Problem, daß es bei Demonstrationen zu gewaltsamen Ausschreitungen kommen kann, kenne ich, seit ich mich an Demonstrationen beteilige, also inzwischen seit 42 Jahren.

Gerade das Beispiel, das Sie nennen, zeigt, daß martialisches Gebärden und Auftreten häufig zu unrecht als Anfang solcher Ausschreitungen gedeutet oder auch mißdeutet werden kann. Wenn die Polizei nicht nur nervös geworden, sondern eingeschritten wäre, hätte es zu einer schlimmen Eskalation kommen können und zwar völlig unnötiger Weise, wie wir nachträglich wissen.
Gründe für Eskalationen und Ausschreitungen gibt es viele. Mißverständnisse und Provokationen gehören dazu.
Im Laufe der Jahre ist es gelungen, solche Vorfälle weitestgehend zu vermeiden und zu verhindern. Dazu beigetragen haben viele Veranstalter von Demonstrationen, Demonstranten und Demonstrantinnen und auch die Polizei.
Sicher kann man immer noch mehr tun.
Aufklären zum Beispiel, wie ich es versuche, wenn ich zu den Orten radele, an denen es zu Zuspitzungen kommt.
Neutrale Demo-Beobachter einsetzen, wie dies früher mal durch die Intiativegruppe "Bürger beobachten die Polizei" geschah.
Oder durch die Umsetzung der jahrzehntealten Forderung, daß die Polizisten bei Demonstrationen Namensschilder tragen, um bei Übergriffen nicht hilflos nicht identifizierbaren vermummten Beamten gegenüberzustehen, sondern die Möglichkeit eröffnet wird, einen Vorfall und die Verantwortlichkeiten später über die Namensschilder identifizierbarer Personen aufzuklären.
Oder durch Deeskalations-Einsatzkonzepte, nach denen nicht jede in die Stirn gezogene Wollmütze oder nicht jeder schwarze Schal vor einem Gesicht, als strafbare Vermummung von Demonstranten gewertet und zum Anlaß genommen wird, in eine geschlossene Demogruppe einzudringen.
Häufig hilft die Anwesenheit von Presse mit Foto- oder Videoapparaten.
Letztlich wird aber auch die Stimmung unter den Demonstrationsteilnehmern eine wichtige Rolle spielen. Zu dieser kann nicht nur die Demoleitung, sondern auch jeder Demonstrant und jede Demonstrantin beitragen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele