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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Patrick H. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Patrick H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Ströbele

Meine Frage betrifft die am 1 April 2007 in Kraft getretene Gesundheitsreform, insbesondere die Versicherungspflicht für die bisher Nichtversicherten.

Da mein Fall sicherlich exemplarisch ist für viele andere möchte ich ihn kurz darstellen:
Ich bin Berufseinsteiger/Selbstständiger und verdiene sehr wenig. Doch kann ich mich, auch dank familiärer Unterstützung, über Wasser halten ohne staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich war für viele Jahre nach meiner Rückkehr nach Deutschland (Auslandsstudium) nicht mehr Krankenversichert in Deutschland, da ich einfach nicht in der Lage war die enorm hohen Beiträge zu zahlen.
Nun möchte ich mich bei der gesetzlichen Krankenkasse bei der ich zuletzt versichert war wieder anmelden, diese ist nun ja Kraft des neuen Gesetzes verpflichtet mich wieder aufzunehmen. Doch fordert die Krankenkasse nun die Nachzahlung der Beiträge ab dem 1. April 2007 von mir nach. Das sind bei mir fast 3000 Euro mittlerweile.

Begründet wird die Forderung mit der Versicherungspflicht. Dabei bekommt man immer wieder von der Krankenkasse zu hören dieser Sachverhalt sei überall in den Medien verbreitet worden und man sei selber schuld wenn man nicht davon gewusst habe. Die Nichtversicherten sind nicht persönlich darauf hingewiesen worden dass sie tatsächlich ab dem 1 April stille Beiträge zahlen, es wird vorausgesetzt man habe davon hören müssen.
Weder ich, noch meine Freunde und Verwandte haben davon gehört.

Meine Fragen:

- Die Krankenkassen setzen die Nachzahlungsforderungen sehr rigide und ohne wenn und aber in die Tat um. Ist dies tatsächlich so im Sinne des Gesetzgebers? Besteht hier nicht Nachbesserungsbedarf?

- Ensteht hier nicht eine völlig untragbare Situation? Ging es nicht darum den Nichtversicherten einen Wiedereinstieg zu ermöglichen? Nun ist es doch noch viel schwieriger für Nichtversicherte, und mit jedem Monat wird es schlimmer. Sind sich die Politiker im Bundestag dieser Konsequenzen bewusst?

Vielen Dank.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heeren,

Ich kenne das von Ihnen geschilderte Problem, von dem inzwischen viele BürgerInnen betroffen sind.

Grundsätzlich befürworten wir, dass alle Menschen krankenversichert sein sollen. Die im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes beschlossenen Regelungen weisen jedoch große Lücken auf, auf die die Bundesregierung bislang keine Antworten gefunden hat. Die Bundesgesundheitsministerin appelliert an die Krankenkassen, Nachzahlungsforderungen so zu gestalten, dass diese für die Versicherten auch bezahlbar sind. Dass diese Lösung oft nicht funktioniert, zeigt Ihr Beispiel.

Allerdings sprechen auch Argumente dafür, die Versicherungspflicht zu einem bestimmten Datum einzuführen (01.04.2007). Sofern BürgerInnen sich erst dann versichern würden, wenn ein Krankheitsfall eingetreten oder eine Krankheit absehbar ist, müssten die Kosten nahezu allein von der Versichertengemeinschaft getragen werden, ohne das die betroffenen Personen vorher in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt hätten.

Eine befriedigende Lösung gibt es für Sie derzeit nicht. Sie sollten versuchen, mit Ihrer Krankenkasse Ratenzahlungen zu vereinbaren. In einzelnen Fällen erlassen die Krankenkassen die anstehenden Beiträge.

Wir Grünen sind der Auffassung, dass das deutsche Krankenversicherungssystem mit der gesetzlichen Krankenversicherung sowie einem Privatversicherungsmarkt ein Auslaufmodell ist. Die Trennung in eine Bevölkerungsmehrheit, die einkommensabhängige Beiträge zahlen muss und in eine Bevölkerungsminderheit, die nicht versicherungspflichtig ist bzw. nur ihr eigenes Gesundheitsrisiko absichert, ist sozial ungerecht und behindert den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern.

Wir wollen deshalb eine Bürgerversicherung einführen, die für Alle gilt, auch für gut Verdienende, Selbstständige, BeamtInnen und Abgeordnete.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heeren,

es hat etwas gedauert mit der Beantwortung Ihrer Frage. Ich bitte um Nachsicht, aber ich habe zunächst eine Stellungnahme der Fachpolitikerin in der Fraktion eingeholt.
Danach ist uns das von Ihnen geschilderte Problem durchaus bekannt, von dem inzwischen viele BürgerInnen betroffen sind.

Grundsätzlich befürworten wir, dass alle Menschen krankenversichert sein sollen. Die im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes beschlossenen Regelungen weisen jedoch große Lücken auf, auf die die Bundesregierung bislang keine Antworten gefunden hat. Die Bundesgesundheitsministerin appelliert an die Krankenkassen, Nachzahlungsforderungen so zu gestalten, dass diese für die Versicherten auch bezahlbar sind. Dass diese Lösung oft nicht funktioniert, zeigt Ihr Beispiel.

Allerdings sprechen auch Argumente dafür, die Versicherungspflicht zu einem bestimmten Datum einzuführen (01.04.2007). Sofern BürgerInnen sich erst dann versichern würden, wenn ein Krankheitsfall eingetreten oder eine Krankheit absehbar ist, müssten die Kosten nahezu allein von der Versichertengemeinschaft getragen werden, ohne das die betroffenen Personen vorher in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt hätten.

Eine befriedigende Lösung gibt es für Sie derzeit nicht. Sie sollten versuchen, mit Ihrer Krankenkasse Ratenzahlungen zu vereinbaren. In einzelnen Fällen erlassen die Krankenkassen die anstehenden Beiträge.

Wir Grünen sind der Auffassung, dass das deutsche Krankenversicherungssystem mit der gesetzlichen Krankenversicherung sowie einem Privatversicherungsmarkt ein Auslaufmodell ist. Die Trennung in eine Bevölkerungsmehrheit, die einkommensabhängige Beiträge zahlen muss und in eine Bevölkerungsminderheit, die nicht versicherungspflichtig ist bzw. nur ihr eigenes Gesundheitsrisiko absichert, ist sozial ungerecht und behindert den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern.

Wir wollen deshalb eine Bürgerversicherung einführen, die für Alle gilt, auch für gut Verdienende, Selbstständige, BeamtInnen und Abgeordnete.

Ich bin der Meinung, daß unabhängig von dieser Forderung kurzfristig Nachbesserungsbedarf besteht. Leider werden wir mit einer solchen Forderung angesichts der derzeitigen Mehrheiten im Bundestag wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele