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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Y. S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Y. S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ströbele,

ich nehme am Netzwerk "BERLINER - REGIONAL" teil, das auch von Herrn Thierse unterstützt wird. Dieses Netzwerk versucht, mit Hilfe eines regional gültigen Wertgutscheins (sog. "Regionalwährung") die regionale Wirtschaft zu fördern. Gleichzeitig werden soziale Ziele durch Spenden an gemeinnützige Einrichtungen, z.B. den Abenteuerspielplatz "Kolle 37", verfolgt.

Meine Frage an Sie: Wie stehen Sie zu diesem Projekt? Sind derartige Instrumente, die die regionale Wertschöpfung erhöhen können, für die Grünen interessant?

Auf eine Antwort hoffend, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,

Y. Schulz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau oder sehr geehrter Herr Schulz,

vielen Dank für Ihre Frage an Herr Ströbele. Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

Regionale Netzwerke sind eine sehr gute Sache. Die Frage, ob Regionalwährungen ein geeignetes Mittel für regionale Vernetzung darstellen, ist aber nicht eindeutig zu beantworten.

Ich verzichte darauf, hier den Aspekt von gesellianischem Schwundgeld, das oft mit Regionalgeld verknüpft wird, zu diskutieren (jüngst im Film "Welterbesserungsmassnahmen" als "sorbischer Euro" ironisch abgehandelt).

Um mich kurz zu fassen: der Aspekt der Vernetzung der TeilnehmerInnen an einem solchen System ist sicher produktiv und zu begrüssen.

Aber als Abgeordneter muss man auch deutlich sehen, dass ein wesentlicher Bestandteil einer Parallelwährung bzw. von Ersatzpapieren, die Geldfunktionen vollziehen, natürlich eine Steuerhinterziehung bildet. So existiert z.B. im Baubereich das sog. "Wir-Geld", wo Beteiligte nur einen Teil der Summen in Euro bezahlen (die dann steuerlich wirksam werden), ein anderer Teil aber quasi als weitergereichte Forderung innerhalb der Branche zirkuliert. Für die Beträge in "Wir-Geld" werden selbstverständklich keine Steuern gezahlt. Dieser Effekt ergibt sich - ob intendiert oder nicht - quasi automatisch bei der Übernahme von Geldfunktionen durch regionale Tausch- oder Wertgutscheine. Denn der ganze Kreislauf bräche alsbald zusammen, wenn die Beteiligten für ihre Zirkulation dauernd Steuern in Euro anbführen müssen, obwohl sie keinen Zufluss in Euro (jedenfalls innerhalb dieses Kreislaufes) haben. Werden aber Steuern korrekt bezahlt, so ist dauernd ein Zufluss von aussen notwendig, das System ist dann nicht selbstragend, sondern im Grunde auf Spenden angeewiesen.
Dieser Mangel wäre nur dann zu beseitigen, wenn auch der Staat für seine Steuern diese Regionalwährung akzeptiert (oder Naturalien bzw. Dienstleistungen akzeptiert zur Begleichung der Steuerschuld). Insofern ist zu befürchten, das die teilweisen Erfolge von regionalgeldlichen Versuchen geschuldet sind der darin liegenden "Steuerfreiheit".

Von daher sollten besser andere Ansätze für die sicherlich sehr sinnvolle regionale Vernetzung angeschoben werden; im Bereich z.B. ökologischer Lebensmittel sind die Grünen hier sehr engagiert.

Mit freundlichen Grüssen

Dietmar Lingemann

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Kurt-Dietmar Lingemann
Wiss. Mitarbeiter MdB Ströbele