Frage an Hans-Christian Ströbele von Ursula N. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Ströbele,
ich habe soeben Ihren Essay im Tagesspiegel über die Deutschlandfahnen anlässlich der EM gelesen.
Ich finde es erstaunlich, dass die vielen Nationalfahnen Sie eher unbehaglich stimmen, denn ich glaube, dass man den Deutschen ein gewisses Nationalgefühl, was ja beileibe nicht gleich wieder in ein Extrem ausarten muss, nicht ständig aberziehen sollte.
Gerade dieser Versuch, krampfhaft nationale Gefühle unter den Teppich zu kehren oder ihnen den Hauch der Unredlichkeit, des Schlechtem einzugeben, ist m. E. der Grund für steigenden Rechtsextremismus. Ich halte es grundsätzlich für gefährlich, wenn man etwas durch Verkehrung ins Gegenteil zu eliminieren versucht.
Glauben Sie nicht, dass jede Nationalität von einem gewissen Nationalgefühl, und ich spreche hier bewusst nicht von Nationalstolz, lebt? Als was sollen sich denn junge Generationen fühlen, wenn sie nun zufälligerweise Deutsche sind? Als Niemandsland, als ewig Schuldbeladene? Mehr als die damaligen Vorkommnisse sehr genau zu betrachten, kann man als Nachkomme kaum tun.
Ich bin Jahrgang 1957 und merke, wie ich sogar beim Schreiben dieser Nachricht krampfhaft zu vermeiden versuche, irgendwie den Eindruck zu erwecken, mir könne an einem extremen Nationalismus gelegen sein. Leider wird man heute sehr rasch in die rechte Ecke geschoben. Und ich finde es bedauerlich, dass ich, die ja für die Verbrechen der Nazis nun überhaupt nichts kann, mit dieser Schuld beladen und daher so befangen bin.
Ist es denn nicht vorstellbar, dass es in Deutschland auch einen moderaten Nationalismus geben kann, so wie ihn andere Nationen pflegen?
Ihrer Nachricht sehe ich mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Nurkowski
Sehr geehrte Frau Nurkowski.
Wenn Sie den Artikel im Tagesspiegel vom Sonntag gelesen haben, wissen Sie, daß auch ich festgestellt habe, daß viele, vor allem junge Leute an die deutsche Fahne rangehen und sich keineswegs unwohl fühlen, wenn sie überall die Deutschlandfahnen und die Farben Schwarz-Rot-Gold sehen, und daß dies keineswegs Ausdruck von nationalistischer Gesinnung oder übertriebene nationaler Gefühle sein muß.
Ich sehe auch, daß andere eine andere Haltung zur Nation und zum Nationalen in Deutschland haben als ich und daß eine "Normalisierung" an Boden zu gewinnen scheint.
Aber ich halte nationale Gefühle auch nicht für notwendig und schon gar nicht in Deutschland. Wir sind nun mal "mit dieser Schuld beladen". Nationale Töne sind mir im übrigen auch in anderen Ländern unangenehm.
Es stellt sich auch die Frage, welche Bedeutung nationale Gefühle und Töne in einer Europäischen Union noch haben sollen.
Die meisten Reaktionen auf den Artikel im Tagesspiegel bestätigen meine unguten Gefühle.
So empfiehlt ein Dr. Bischof: "Gehen Sie mal zum Psyichiater! Was haben Sie eigentlich im Deutschen Bundestag zu suchen ?" oder Herr Batzella " Wandern Sie doch endlich in Ihre heißgeliebte Türkei .. Denn sollten Sie ihre letzte Ruhestätte (hoffentlich bald) in Deutschland finden, dann werde ich die Deutschlandfahne auf Ihrem Grab hissen." und ein Kurt schreibt, "ich wünsche mir sehnlichst ihren tod, sie deutschlandhatter und islamfehlgeleiteter" .
Mit freundlichem Gruß
Ströbele