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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Hans-Jörg V. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Hans-Jörg V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

sie als Rechtsanwalt werden mir hoffentlich meine Bedenken in unseren Rechtsstaat nehmen. Meine Frage an Sie: Warum habe ich immer den Eindruck, daß die Gesetze für die Creme der Gesellschaft geschaffen werden? Wie ist es sonst zu verstehen, daß die Steuerhinterzieher wieder mit Samthandschuhen angefaßt werden, d.h. sie können mit Verjährung rechnen.

In Gerichtsverhandlungen kommen sich Verteidiger und Staatsanwaltschaft näher und schließen einen Vergleich ab. Da die "Angeklagten" die benötigte Portokasse haben, zahlen sie den Obulos und schon können sie in Freiheit, manchesmal als Nichtvorbestrafter, das Leben genießen. In meinen Augen ein merkwürdiger Rechtsstaat! Wohin sollen diese Ungerechtigkeiten noch führen? Muß man diese Gesetze verstehen? Sind meine Zweifel nicht berechtigt?

MfG Voit

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Voit.

Ihre Auffassung teile ich nicht. Steuerhinterziehung ist in Deutschland strafbar, egal wer sie begeht. In schweren Fällen, d.h. wenn es sich um besonders hohe Summen an Steuern handelt, die hinterzogen wurden, oder die Tatausführung besonders kriminelles Vorgehen zeigt, können Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren verhängt werden. Steuerhinterziehung wird in Deutschland auch verfolgt. Allerdings haben Sie wiederum damit recht, daß die verhängten Strafen häufig sehr gering ausfallen, wenn das Strafverfahren nicht sogar mit einer Einstellung gegen Bußzahlung endet.

Das ist zu kritisieren, liegt aber häufig weniger daran, daß die Justiz mit Steuerhinterziehern symphatisiert, sondern passiert deshalb, weil reiche Leute das Geld haben, alle rechtlichen Möglichkeiten der Verteidigung auszuschöpfen und es damit der Justiz sehr schwer machen können, zu einer zeitnahen Verurteilung zu kommen. Das ist der Preis des Rechtsstaates. Überlastete Richter und Staatsanwälte sind manchmal zu schnell bereit, einer Abkürzung des Verfahren oder einer Einstellung zuzustimmen.

Deshalb lautet eine der Forderungen zur besseren Bekämpfung der Steuerhinterziehung neben der drastischen Erhöhung des qualifizierten Personals bei der Steuerfahndung auch eine erhebliche Verstärkung der Stellen für Richter und Staatsanwälte, die sich die erforderliche Zeit nehmen können, um zu gerechten Urteilen zu kommen. Die Rechts- und Beweislage ist häufig schwierig. Aber eine konsequente Strafverfolgung ist möglich und erbringt dann auch mit Geldstrafen und Steuernachzahlungendie Mehr kosten.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele