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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Michael v. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael v. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

beim Internethandel verschicken Rechtsanwälte immer wieder Abmahnungen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht. Bei diesen Verstößen handelt es sich eigentlich um Bagatellen, für den Betroffenen werden aber Gebühren von 400 bis über 1000 Euro fällig. Sogar die vom Justizministerium im Internet zur Verfügung gestellte Widerrufsklausel dient den Abmahnern als Grundlage für Ihren lukrativen Gewinn. Dabei geht es nur um eine Formulierung, die den Anwälten Dank der deutschen Justiz das ungerechtfertigte Geld verdienen leicht macht. Dieses ganze widerliche Spiel, bei welchem der Bürger regelrecht abgezockt wird, kann ins Leere laufen, wenn für die erste Abmahnung ein Anwalt kein Geld verlangen kann. In anderen Ländern ist das so üblich. Durch die deutsche Gesetzgebung lohnt es sich für Anwälte mit Scheinfirmen und gekauften Partnern Internethändler wegen Bagatellen massenhaft abzumahnen. Fallen die Anwaltskosten im ersten Schritt weg, ist die Angelegenheit für Anwälte nicht mehr interessant.
Was werden Sie unternehmen, damit diese bürger- und händlerfreundliche Antiabmahninitiative zu geltendem deutschen Recht wird? Diese Maßnahme ist schnell und einfach umzusetzen und schützt den Bürger vor abzockenden Anwälten.

Beste Grüße
Michael v. Lüttwitz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr von Lüttwitz,

Für die krankheits-bedingte Verzögerung meiner Antwort bitte ich um Nachsicht.

Die Empörung über ein missbräuchliches und ausuferndes Abmahnwesen auch anlässlich geringfügiger formaler Regelverstösse ist berechtigt und nachvollziehbar. Es gab tatsächlich auf Abmahnungen reduzierte und konzentrierte Vereine und Anwaltskanzleien, deren eigentlicher Zweck darauf gerichtet zu sein schien, Gebühren und Kosten zu schinden.

Derlei ist nun seit Sommer 2004 durch eine Novelle zum UWG ausgeschlossen; der neugefasste § 8 Abs. 4 UWG untersagt nämlich die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen,
"wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen."

Zudem hat es in den letzten Jahren eine weitere Entwicklung in der Rechtsprechung und mit Gesetzesvorlagen gegeben, die Ihrer Intention weitestgehend Rechung trägt. Deshalb erscheinen derzeit weitere parlamentarische Initiativen nicht notwendig.

Es gibt auch ein legitimes Bedürfnis, zum Schutz der Verbraucher und eines fairen Wettbewerbes gegen Regelverstöße auch mittels Abmahnungen und gerichtlichen Unterlassungsverfügungen vorzugehen. Dazu sind - entgegen Ihrer Kritik - u.E. auch Verbraucherzentralen und die "Wettbewerbszentrale" wichtig. (Diese heißt zutreffend "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V." und ist kein "Lobbyverband" oder Vertreter einzelner Branchen, sondern ein Selbstkontrollgremium der gesamten deutschen Wirtschaft)
Allerdings sollten Missbräuche des rechtlichen Vorgehens möglichst ausgeschlossen sein.

Es ist daran zu erinnern, dass es dem Verletzten freisteht, bei einem Rechtsverstoß sofort Unterlassungsklage gegen den Verletzer zu erheben, wodurch erheblich höhere Kosten verursacht werden können als durch eine vorherige Abmahnung. Daher ist deutlich festzuhalten, dass eine vorherige Abmahnung im Interesse des Verletzers liegt und keinesfalls dessen "Abstrafung" darstellt.

Angesichts gelegentlicher Missbräuche sollte zu diesem Ausgangspunkt zurückgekehrt werden: eine Abmahnung sollte wieder dazu dienen, bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften einen Streit beizulegen, ohne dass ein Gericht angerufen werden muss und damit unnötig hohe Kosten verursacht werden. Deshalb sollte die Abmahnung nicht mit Kosten verbunden sein, die durch den Aufwand nicht gerechtfertigt sind und die Streitbeilegung damit häufig unnötig erschweren.

Zwar muss der Verletzer die Kosten einer Abmahnung nur dann erstatten, wenn die Abmahnung berechtigt erfolgte, er also ein Rechtsverstoß begangen hat. Doch gelegentlich hat der private Verletzer die Rechts- und Kostenfolgen nicht ausreichend erkannt. Wenngleich im deutschen Rechtssystem gilt, dass Unwissen nicht vor Rechtsnachteilen schützt und jeder sich im eigenen Interesse gehörig informieren muss, mag es trotzdem richtig sein, wenn die Kostenbelastung des Verletzers durch Abmahnschreiben eingeschränkt und gedeckelt wird.

Die Rechtsprechung hat dazu den Weg gewiesen und zutreffende Grundsätze entwickelt, die das Kostenrisiko stark vermindert haben.
Der Bundesgerichtshof hat erhebliche Einschränkungen durch zwei Urteile vom 12.12.2006 (Az. VI ZR 175/05 + 188/05 : AnwBl 2007, 547, 548) und zuvor bereits durch Urteil vom 6.05.2004 (Az. I ZR 2/03 - NJW 2004, 2448 "Selbstauftrag") festgelegt.

Danach ist es künftig Rechtsanwälten verwehrt, wegen behaupteter Verletzungen eigener Rechte abzumahnen und dafür eigene Anwaltsgebühren erstattet zu verlangen. Derlei Fälle einzelner schwarzer "Anwalts-Schafe" waren in der Vergangenheit gerade wegen Verstößen im Bereich Multimediarecht unrühmlich bekannt geworden und bilden das stärkste Motiv gerade junger Leute für die skeptische Haltung zu diesem Teil des Lauterkeitsrechts.

In den 2 neueren Entscheidungen hat der BGH diesen Ausschluss vom Gebührenersatz für Abmahnungen und auf sogen. Abschlussschreiben erweitert. Alle geschäftlich nicht ganz ungewandten Verletzten können in durchschnittlichen Fällen nicht mehr die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Erstellung der Abmahnung verlangen, sondern es ist davon auszugehen, dass sie die Abmahnung selbst verfassen, dafür also Anwaltsgebühren, die zu erstatten sind, nicht entstehen.
Ein Großteil der Probleme ist damit gelöst.

Außerdem sieht ein bereits in den Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" (BT-Drs. 16/5048) in Art. 6 Nr. 10 (§ 97 a Abs. 2 UrhG-E) vor, die zu erstattenden Gebühren erstmaliger Abmahnung im Bereich des Urheberrechts vorsieht in einfachen Fällen auf 50 EUR zu deckeln.
Gegen diesen Entwurf erhob der Bundesrat - insoweit - keine Einwände (BR-Drs. 64/07). Daher wird diese Regelung vermutlich auch im Bundestag unverändert beschlossen werden. Die 2. und 3. Lesung ist für den 11.4.2008 angesetzt. Die bündnisgrüne Fraktion im Deutschen Bundestag wird dem Vorhaben zustimmen.

Mit freundlichen Grüssen
Ströbele