Frage an Hans-Christian Ströbele von Antonio M. D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
in seinem jüngst in Österreich erschienenen Buch »Die deutsche Karte – Das verdeckte Spiel der geheimen Dienste« schreibt Gerd-Helmut Komossa, der ehemalige Amtschef des MAD:
»Der Geheime Staatsvertrag vom 21. Mai 1949 wurde vom Bundesnachrichtendienst unter „Strengste Vertraulichkeit“ eingestuft. In ihm wurden die grundlegenden Vorbehalte der Sieger für die Souveränität der Bundesrepublik bis zum Jahre 2099 festgeschrieben, was heute wohl kaum jemandem bewußt sein dürfte. Danach wurde einmal „der Medienvorbehalt der alliierten Mächte über deutsche Zeitungs- und Rundfunkmedien“ bis zum Jahr 2099 fixiert. Zum anderen wurde geregelt, daß jeder Bundeskanzler Deutschlands auf Anordnung der Alliierten vor Ablegung des Amtseides die sogenannte „Kanzlerakte“ zu unterzeichnen hatte. Darüber hinaus blieben die Goldreserven der Bundesrepublik durch die Alliierten gepfändet.« (Die deutsche Karte, Graz 2007, ISBN 978-3-902475-34-3, Seite 21 f.)
Eigentlich müßten Politik und Medien, ja die ganze Bundesrepublik auf dem Kopf stehen. Der Bundespräsident müßte eine Ansprache an die Nation halten und die Kanzlerin unter strafbewehrtem Eid eine Erklärung abgeben – oder der Generalmajor a.D. Komossa müßte gezwungen werden, sein Wissen zu beeiden oder seine Tatsachenbehauptung zu widerrufen. Denn wenn es stimmen sollte, was er preisgibt, wäre dem Staatswesen das Fundament entzogen. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung wäre dann nur die Maske einer Fremdherrschaft – undenkbar!
Wenn nun ein früherer Amtschef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) diese bisherigen Gerüchte bestätigt, erinnern sich politisch wache Deutsche daran, daß angehende Kanzler tatsächlich immer vor Ihrer Vereidigung und nicht nach ihrem Amtsantritt in die USA reisten.
Was ist wahr an die Geschichte?
Ich danke Ihnen für Ihre schnelle Antwort.
Ihr Antonio M. Dorado
Sehr geehrter Herr Dorado.
Bei der Durchsicht der nicht beantworteten Fragen, die offenbar bei mir verloren gegangen sind, bin ich auch auf Ihre gestoßen. Es ist jetzt fast ein Jahr her und Sie haben keine Antwort.
Ich bitte um Nachsicht, aber leider sind einige Fragen im Gestrüpp der Rechner im Bundestag verborgen gewesen und ich mußte sie mir jetzt erst bei abgeordnentenwatch neu zumailen lassen.
Ich weiß nicht, ob Sie inzwischen schon auf anderem Wege Näheres über die Existenz des "Geheimen Staatsvertrages" herausfinden konnten. Ich kann Ihr großes Intersesse verstehen und nachvollziehen.
Das Buch von Herrn Komossa kenne ich nicht und deshalb wußte ich auch von den von Ihnen wiedergegebenen Zitate nichts.
Ich halte die Existenz eines "Geheimen Staatsvertrages" aus der damaligen Zeit für möglich. 1949 war die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland erheblich eingeschränkt und auch die Westalliierten hatten sich wichtige Rechte vorbehalten. Das ist bekannt. So gab es zum Beispiel den Polizeibrief der Allierten, der die Trennung von Polizei und Geheimdiensten für die Bundesrepublik verbindlich festschrieb. Ob ein Vertrag mit dem beschriebenen Inhalt existierte und ob die deutschen Kanzler tatsächlich solche Vereinbarungen unterzeichnen mußten, weiß ich nicht. Ich werde der Frage nachgehen durch eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung und weiteren Nachfragen bei den Nachrichtendiensten. Über das Ergebnis werde ich Ihnen berichten.
Bitte übermitteln Sie mir noch Einzelheit zur Identifizierung des Buches: Erscheinungsjahr, Verlag, Seitenzahlen der Zitate usw.
Spätestens nach der Wende 1990 dürfte ein solcher "Geheimer Staatsvertrag" gegenstandslos geworden sein, denn damals wurde die volle Souveränität Deutschlands durch die Allierten auch ganz formal wiederhergestellt.
Mitb freundlichem Gruß
Ströbele