Frage an Hans-Christian Ströbele von gert r. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
bitte gestatten Sie eine Nachfrage zu Ihrer Antwort vom 7.1.2008, die sich für mich so ließt, dass Sie eine pauschale Aufhebung aller in der NS-Zeit erlassener Gesetze und Rechtsverordnungen nicht für sinnvoll oder praktikabel halten.
Auch Gesetze und Rechtsverordnungen die nicht "durch NS-Gedanken geprägt oder beeinflußt sind oder Zielen der NS-Politik wie etwa der Kriegsvorbereitung dienen sollten" sind ohne demokratische Legitimation zustande gekommen, egal ob diese heute als sinnvoll angesehen werden oder nicht. Auch für letzteren Fall, falls es diesen überhaupt gibt, wäre m.E.eine Neufassung durch ein demokratisches Verfahren sinnvoller.

Sehr geehrter Herr Rosika.
Ihre Auffassung teile ich, daß die Gesetze und Rechtsverordnungen der NS-Zeit ganz überwiegend nicht demokratisch legitimiert waren. Das trifft vor allem für die zu, die nach und auf der Grundlage des sogenannten Ermächtigungsgesetzes von 1933 erlassen wurden. Denn dieses "Ermächtigungsgesetz" ist ohne die Mitwirkung der Reichstagsabgeordneten zustande gekommen, die rechtswidrig und gewaltsam an der Anwesenheit und an der Ausübung ihres Mandats gehindert wurden. Darüber hinaus waren auch die anwesenden Abgeordneten, die das Gesetz kritisch sahen und ablehnten nicht frei in ihrer Entscheidung, sondern standen offensichtlich unter massivem Druck der Nazis im und außerhalb des Versammlungsraumes.
Aber das Grundgesetz erklärt in Artikel 123 Absatz 1 alles Recht, aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages, also aus der Zeit vor 1949, für fortgeltend, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu diesem vorgrundgesetzkonstituionellem Recht auch das aus der NS-Zeit.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele