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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Hagen V. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Hagen V. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

in der aktuell wieder geführten Diskussion um die innere Sicherheit ist der Vorschlag gemacht worden, den Besuch terroristischer Ausbildungslager bspw. in Pakistan oder Afghanistan zu einem Straftatbestand zu machen.

Ich habe dazu von Ihnen in einem - leider nur verkürzt gesendeten - Kommentar zur Kenntnis genommen, dass sie dieser Idee ablehnend gegenüber stehen.

Aus dem Interview-Stückchen ging leider nicht deutlich hervor, warum und in welcher Ausprägung sie diese Meinung vertreten.

Meine Frage lautet daher: Sind Sie prinzipiell und ohne Abstufungen dagegen den Besuch eines solchen Ausbildungslagers strafbar zu machen? Falls ja: Was sind die Gründe dafür und wie stehen Sie zu den Argumenten der Gegenseite?

Bsp.: Jemand, der als deutscher Staatsbürger die Kosten und Mühen einer Reise und des Besuchs (und des vorherigen Ausfindigmachens) eines solchen Ausbildungslagers auf sich nimmt, muss damit doch Absichten verfolgen, die (mindestens in einigen Fällen) aktive terroristische Pläne gegen die Bundesrepublik, "den Westen" etc. gerichtet sind. Es wird sich ja nicht bei allen Besuchern dieser Lager um Reporter, V-Männer, Abenteurer und Berglandschaftsmaler handeln können.
Also: Auch wenn dies wenige Personen betreffen mag (ich kenne leider keinen Zahlen oder Schätzungen zu dieser Frage) und selbst wenn man Raum für Einschränkungen lassen muss (wie bei jeder anderen Straftat auch), fänden Sie es nicht prinzipiell angebracht ein Rechtsmittel gegen Besucher dieser Camps zu haben?

Mit freundlichen Grüßen,
Hagen Voß

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Voß.

In der Tat habe ich mich gegen die Einführung einer Strafnorm ausgesprochen, die den Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers mit Strafe bedroht.
Gründe dafür gibt es viele:
Es fängt schon damit an, daß es kaum möglich sein wird, ein solche Straftat ausreichend scharf und eingrenzend zu definieren. Welche Lager fallen darunter ? Auch ein Flüchtlingslager in Pakistan oder im Libanon oder in Afrika, in dem neben "Terroristen" sich auch Tausende oder Zehntausende von Menschen aufhalten, die dort nur leben, arbeiten oder beten ? Ist eine Koranschule in Pakistan oder in Somalio bereits ein Ausbildungslager, in der der Koran gelehrt wird, aber in einem Hinterzimmer auch Waffen gefunden werden? Oder was ist mit Militärlagern im Nordrirak oder in Lateinamerika oder Afrika, in denen zwar Kämpfer ausgebildet werden, aber mit sehr unterschiedlichem späteren Aufgabenbereich. Was ist mit Ausbildungscamps in den USA, in Mittelamerika oder in Afrika, in denen Soldaten für Armeen ausgebildet werden, die mal Regierungsarmee, mal Rebellenarmee sind. Eine Definition im Strafgesetzbuch kann nicht nur für Pakistan oder Afghanistan gelten.
Was ist die strafbare Tathandlung ? Allein der Besuch vielleicht nur aus Neugier oder zum Beten oder zum Treffen mit Angehörigen und Freunden oder erst die Ausbildung an Waffen oder Sprengstoff ?

Hinzu kommen Beweisschwierigkeiten. Wie soll gegenüber einem Gericht in Deutschland der Beweis erbracht werden, daß ein Verdächtiger tatsächlich in einem Lager war und zu welchem Zweck ? Dazu gibt es meist nur Angaben von Geheimdiensten, die nicht überprüf- und damit für ein Strafverfahren nicht nutzbar sind.

Außerdem kann eine militärische Ausbildung für eine bestimmte Gruppe oder bestimmte Tat auch nach geltender Rechtslage wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§§, 129 a, 129b StGB) und anderen Straftatbeständen auch heute schon bestraft werden kann. Eine weitere gesetzliche Vorschrift ist nicht erforderlich.

Letztlich geht es auch darum, daß Strafbarkeit nicht immer weiter vorverlagert werden darf - weit vor eine Tat, die Schaden anrichtet. Nicht bloßes Denken, Reden, Lernen oder Ausbilden soll strafbar sein, auch wenn es noch so dumm, blöde, verächtlich ist oder gefährlich werden kann. Denn sonst könnten Personen kriminalisiert werden, die das Gedachte und Erlernte nie praktizieren wollen und werden. Gesinnungsstrafrecht rückt dann immer näher.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele