Frage an Hans-Christian Ströbele von Hans Dieter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
durch Ihre überzeugenden Auftritte (in den Medien) habe ich die Hoffnung, daß bei Ihnen ein Vorstoß zur Änderung der Wahlgesetze in guten Händen ist.
Ich bin Jahrgang 1948, Dipl. Ing., parteilos.
Meine Grundgedanken:
Die 5%-Klausel basiert auf den Erfahrungen einer unstabilen Demokratie, der sog. „Weimarer Republik“. Ich halte die Klausel vom Grundsatz her als eine Diskriminierung und gegen den Geist unserer Verfassung gerichtet.
- Worin liegt der substantielle Unterschied zwischen 4,999 und 5,001 % der Stimmen?
- Die Stimmen einer Partei, die an der 5%-Hürde scheitert, werden derzeit überproportional (d´ Hondt) der stärksten Partei zugeschlagen, die aber womöglich diametrale Grundsätze in den wichtigsten Feldern der „ausgeschiedenen“ Partei vertritt. Derjenigen Partei, die ihr inhaltlich am nächsten steht, gehen die Wählerstimmen jedoch verloren.
Hier mein Vorschlag:
- Wahlkreise nach Zahl der Wahlberechtigten möglichst identisch (Abweichung <1%)
- Zur besseren Unterscheidung gegenüber heute : Nicht „Erst-/ Zweitstimme“, sondern eine „Kandidatenstimme“ (für Person) und eine „Parteistimme“ (für Programm).
- Entscheidend für die von jeder Partei zu entsendenden Abgeordneten-Zahl ist der %- Anteil der „Parteistimmen“.
- Welcher Kandidat dann für seine Partei ins Parlament kommt, hängt aber allein von den erhaltenen Stimmen ab, die sie/er innerhalb dieser Partei erhalten hat. Es entsteht kein "Überhang".
Zu erwartendes Ergebnis:
>> Stärkung des Abgeordneten gemäß Artikel 38 GG
>> Mehr Transparenz für den Wähler - Parteienzwang für Abgeordneten deutlich abgeschwächt)
>> Keine „automatische Wiederwahl“, wenn es die Partei nur will (über Absicherung Listenplatz)
>> Hohe Wahlbeteiligung erhöht Chancen für den Kandidaten des jeweiligen WK
>> Die Wahlenthaltungsausrede „der kommt doch so oder so wieder `rein“greift nicht mehr. - Die Wahlbeteiligung wird steigen.
Läßt sich ein solches bürgernahes Wahlgesetz schaffen?
PS: "er" oder "sie"> Zeichenvorrat!
Sehr geehrter Herr Schoberth.
Einige Ihrer Überlegungen zur Änderung des Wahlgesetzes und insbesondere gegen die 5 %-Klausel bei Wahlen in Deutschland teile ich. Diese waren in der Vergangenheit auch Gründe für Vorstöße der Grünen gegen diese Klausel. Das Bundesverfassungsgericht hat aber die Vereinbarkeit dieser Klausel mit dem Grundgesetz festgestellt. Der zentrale Grund dafür ist, daß so stabile Mehrheiten zustande kommen, die dazu beitragen, daß Regierungen über eine volle Wahlperiode amtieren können.
Der von Ihnen gemachte Vorschlag würde eine Kandidatur als sog. Direktkandidat ausschließen und nur Wahlen von Abgeordneten über die Listen der Parteien zulassen. Das wäre wiederum ein wesentlicher Nachteil. Richtig ist allerdings, den Wählerinnen und Wählern mehr Einfluß auf die Zusammensetzung der Kandidatenlisten der Parteien zu geben und zwar sowohl vor der Wahl, als auch im Wahlgang.
In einzelnen Bundesländern gibt er schon solche Möglichkeiten. Auch für die Bundestagswahl sind dazu immer wieder Überlegungen angestellt worden. Allerdings scheinen die Parteivorstände daran nur mäßig interessiert.
Deshalb vermute ich, daß die von Ihnen vorgeschlagen Initiative für eine Änderung des Wahlgesetzes vermutlich wenig Aussicht auf Erfolg hätte.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele