Frage an Hans-Christian Ströbele von Stefan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Hans-Christian,
Der Rechtsausschuss des Bundestags hat gestern über eine Neuregelung des §303b StGB ("Hackerparagraph") abgestimmt. Laut u.a. Heise.de hat lediglich die Linkspartei dagegengestimmt.
Was hat dich und die anderen Grünen-Mitglieder des Rechtsausschusses dazu bewegt alle Warnungen und Anhörungen von großen Interessensverbänden wie Bitkom oder CCC zu ignorieren und dem ganzen weitgehend unverändert zuzustimmen?
Und wieso dieses m. E. undemokratische Vorgehen, den Bundestag um 2 Uhr morgens darüber beschließen zu lassen?
Unter Umständen kann mich diese Entscheidung aufgrund meiner Hobbies und meiner Arbeit in die Illegalität treiben, allein dadurch dass ich Hilfsmittel benötige die dazu geeignet wären eine Straftat nach §303b zu begehen, jedoch ohne diese jemals gegen irgendjemanden einzusetzen, ohne jemals die Absicht dazu zu haben.
Lieber Stefan Wildener.
Die neuen Strafvorschriften zur Computerkriminalität wurden in der letzten Nacht zusammen mit einer Reihe anderer Gesetze vom Bundestag verabschiedet. Es war wohl gegen 23 Uhr und nicht um 2 Uhr. Ich habe an der Abstimmung nicht teilgenommen.
Von den Warnungen durch Bitkom oder CCC weiß ich nichts, wahrscheinlich weil ich mit dieser Gesetzesnovellierung auch als Mitglied des Rechtsausschusses nicht befaßt war. Angesichts der großen Anzahl von Gesetzen, mit denen gerade der Rechtsausschuß befaßt ist, ist die Arbeit ohne Aufteilung auf die Abgeordneten nicht zu schaffen. Seit einem Jahr bin ich im übrigen mit der Tätigkeit im Untersuchungsausschuß und im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste weitgehend ausgelastet.
Als absoluter Laie in Sachen IT und PC hätte ich aber ohnehin Probleme die Auswirkungen der Gesetzesformulierungen auf die Arbeit der Kommunikationssysteme abschließend zu beurteilen. Noch vor der Abstimmung habe ich mich kundig gemacht. Die Zustimmung der bündnisgrünen Fraktion wurde erst gegeben, nachdem in einem Beschluß, der parallel zu den neuen Strafvorschriften verabschiedet wurde, eine wichtige Klarstellung durch den Bundestag erfolgte. Diese ist in dem Bericht des Rechtsausschusses, wie folgt, formuliert:
"Um Mißverständnisse zu vermeiden, soll in der Beschlußempfehlung klargestellt werden, daß § 202 c StGB hinsichtlich der Zweckbestimmung im Sinne des Art. 6 Europarats-Übereinkommens auszulegen ist. Danach sind nur Computerprogramme betroffen, die in erster Linie dafür ausgelegt und hergestellt werden, um damit Straftaten nach den §§ 202 a, 202 b StGB zu begehen. Die bloße Geeignetheit zur Begehung solcher Straftaten begründet keine Strafbarkeit. Die geforderte Zweckbestimmung muß eine Eigenschaft des Computerprogrammes in dem Sinn darstellen, daß es sich um sog. "Schadsoftware" handelt. Hierzu wird auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.5. 2006 zur "Verfälschersoftware" bei Tachometermanipulation im Rahmen des § 22 b StVG hingwiesen. Außerdem soll verdeutlicht werden, daß § 202 c StGB in erster Linie professionelle Anbieter im Blick hat, die durch Bereitstellung von Computerprogrammen, die für die Begehung von Straftaten geschrieben werden, ein vom Gesetzgeber unerwünschte und strafbar angesehenes Verhalten unterstützen und damit Gewinn erzielen. Außerdem soll festgehalten werden, daß der Gesetzgeber die Auswirkungen der neuen Strafvrschriften genau zu beobachten haben wird. Sollten doch Programmentwickler und Firmen, die nicht aus krimineller Energie handeln, durch diese neuen Strafvorschriften in Ermittlungsverfahren einbezogen werden, wird auf solche Entwicklungen zeitnah reagiert werden müssen".
Vielleicht beruhigt Sie dieser Passus. Ich hoffe, danach ist ausgeschlossen ist, daß Sie aufgrund Ihrer Hobbies und Ihrer Arbeit in die Illegalität getrieben werden. Der die Verabschiedung begleitende Beschluß soll die Anwendung der Vorschrift eingrenzen. Ob dieses Ziel wirklich erreicht wird, kann man vielleicht skeptisch sehen. Umso aufmerksamer werde ich und werden die Kollegen in der Fraktion die Entwicklung beobachten und Gesetzesänderungen unter Berufung auf die Beschlußempfehlung verlangen, wenn entgegen diesem Ziel Strafverfahren eingeleitet werden.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele