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Hans-Christian Ströbele
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Frage von klaus J. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von klaus J. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

zu Recht sind Sie an jeder Aufklärung demokratischer Fragen schonungslos interessiert. Nachdem Sie wegen des Aufbaus eines Informationssystem als RAF-Verteidiger wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden und jüngst ein Engagement wie damals als richtig und notwendig betrachten, würde ich Sie bitten, diese Ihre Haltung zu begründen. Immerhin wird jetzt dem Oppositionspolitiker der Grünen im Bundestag wieder vorgehalten, der Herr Ströbele hätte damals die RAF, die sich aus den Haftanstalten heraus neu gebildet hätte, mit dem Aufbau des von den Gefangenen unterhaltenen Informationssystems unterstützt und so die "Fortsetzung des bewaffneten Kampfes" ermöglicht.
Wie Sie in dem am 26.3.07 ausgestrahlten ZDF-Beitrag zu der Aussage kommen "grundsätzlich würde ich das heute so wieder machen" ist mir schleierhaft.

Mit freundlichen Grüßen
Dipl.Volkswirt Klaus Jacobi

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Jacobi.

Etwas verspätet beantworte ich Ihre Anfrage vom April und sende Ihnen meine Erläuterung zu der damaligen Verurteilung:

Anfang der achtziger Jahre wurde ich zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit Bewährung verurteilt wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (RAF). 1983 wurde das Urteil rechtskräftig. Die Strafe wurde vor zwei Jahrzehnten erlassen. Sie ist längst im Strafregister getilgt. Vorgeworfen wurde mir nicht, wie immer wieder behauptet wird, daß ich sog. Kassiber oder andere Gegenstände aus Gefängniszellen zur RAF im Untergrund oder von dort in die Gefängnisse geschmuggelt haben soll. Alle Vorwürfe betrafen meine Tätigkeit als Verteidiger der Gefangenen aus der RAF in den Jahren 1973 bis Anfang 1975. Die Justiz war der Meinung, die Gefangenen hätten in den Gefängnissen eine neue kriminelle Vereinigung gebildet. Diese sollte ich als Anwalt durch öffentliche Erklärungen auf Pressekonferenzen zur Unterstützung der Forderungen von Hungerstreiks, durch Teilnahme an einem Informationssystem zwischen den Angeklagten und ihren Verteidigern oder auch durch die bloße Einzahlung von 50 D-Mark auf das Haftkonto eines Gefangenen unterstützt haben.

Im Jahr 1975 war die Staatsanwaltschaft in Berlin noch bei den Ehrengerichten der Rechtsanwaltskammer mit Anträgen gescheitert, mir die Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt verbieten zu lassen. Diese waren auf die gleichen Vorwürfe gestützt. In zwei Instanzen wurden die Anträge von den Ehrengerichten abgelehnt, weil die Richter keine schweren Verstöße gegen die Pflichten als Rechtsanwalt feststellen konnten. So kommt es, daß ich den Beruf als Rechtsanwalt und Strafverteidiger von 1969 bis heute ununterbrochen ausübe.

Gleichwohl wurde ich sieben Jahre später verurteilt wegen Unterstützung von Hungerstreikforderungen auf Pressekonferenzen und wegen Beteiligung am Infosystem.
Die Forderungen nach Verbesserung der Haftbedingungen und Aufhebung der Isolation von Gefangen hielt ich damals und halte ich noch heute für berechtigt. Ich hatte die Forderungen in unzähligen Anträgen an die Gerichte gestellt und begründet. Ich hatte darüber mit der Bundesanwaltschaft und Richtern verhandelt. Ich hatte es als meine Aufgabe als Verteidiger angesehen, diese Forderungen auch öffentlich zu stellen.
Das Infosystem war von uns Verteidigern im Anwaltsbüro eines Mitverteidigers in Hamburg eingerichtet worden. Es war gedacht als Hilfsmittel um die gemeinsame Verteidigung, die damals noch gesetzlich zulässig war, gegen eine gemeinsame Anklage der Gefangenen aus der RAF und ihren zahlreichen Verteidigern zu koordinieren und zu organisieren. Daneben diente es auch der Beschäftigung und Diskussion der Untersuchungsgefangenen, die unter der abgeschotteten und isolierten Unterbringung in den Gefängnissen litten und zum Teil dadurch auch krank geworden waren. Verschicktes Infomaterial war zuweilen auch von Richtern kontrolliert und unbeanstandet weitergeleitet worden. So waren wir auch nicht auf die Idee gekommen, daß solche Verschickungen unzulässig sein könnten.

Die damals neue rechtliche Konstruktion der Staatsanwaltschaft, daß die Gefangenen, die bundesweit vereinzelt und zum Teil isoliert in den Gefängnissen untergebracht waren, eine kriminelle Vereinigung gebildet haben sollen, hielten wir für abenteuerlich. Sie führte auch nur zu Strafverfahren gegen einzelne Verteidiger nicht aber gegen die Gefangenen.

Im Nachhinein ist vieles an dem außergewöhnlich starken Engagement als Verteidiger für die Gefangenen aus der RAF vielleicht schwer nachzuvollziehen. Die besondere Situation in der sich die Gefangen befanden, die Sonderbehandlung in den Gefängnissen waren ein Grund und eine Erklärung dafür.

Hinzu kam, daß wir nicht nur die Gefangenen gegen ungerechtfertigte öffentliche Verdächtigungen und Diffamierungen verteidigen mussten, sondern dass auch wir als ihre Verteidiger damals vielfach öffentlichen Angriffen und Beschimpfungen durch Politiker und Medien sowie staatlicher Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt waren. So hatte der Verfassungsschutz eine seiner Mitarbeiterinnen in unserem Anwaltsbüro jahrelang als Sekretärin eingesetzt und die Diffamierungen führten dazu, daß mir mit der Post eine scharfe Patrone zugesandt wurde mit einem Merkzettel, auf dem stand: “Dein Todesurteil“.

Mein besonderes Engagement als Verteidiger der Leute aus der RAF erkläre ich aus den damaligen außergewöhnlichen Umständen. Ich habe es damals für richtig und notwendig gehalten und sehe es heute nicht anders.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele