Frage an Hans-Christian Ströbele von Erika G. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Ströbele,
für meinen Unterricht bräuchte ich bitte eine Antwort auf folgende Frage: Mit welcher Begündung wurde die Regelung des Nichtraucherschutzes auf die Länder übertragen? In welchen Politikbereich gehört dieses Problem damit die Anwendung der GG- Artikel 70- 78 Anwendung finden können?
Mit freundlichen Grüßen
Erika Grellmann
Sehr geehrte Frau Grellmann,
vielen Dank für Ihre Frage. Herrn Ströbele ist es aufgrund der dauernden Inanspruchnahme durch den Untersuchungsausschuss aber nicht möglich, Ihre Frage selbst zeitnah zu beantworten; er hat deshalb mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Erlauben Sie mir zu ihrer Frage zum Nichtraucherschutz einleitend einen kleinen historischen Exkurs - auch wenn Sie als Lehrerin das Angeführte sicherlich wissen, gibt es hier bei Abgeordnetenwatch auch Mit- und Nachlesende: Die Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Krieg von unten her - also von den Ländern her - wiederaufgebaut worden. Auch die Alliierten wollten eine möglichst dezentrale Ordnung. Deshalb weist das Grundgesetz grundsätzlich den Ländern die Ausübung der staatlichen Befugnisse zu, soweit das Grundgesetz "keine andere Regelung" trifft (Art. 30 GG). Dies gilt nach Art. 70 GG auch für den Bereich der Gesetzgebung. Findet sich daher im Katalog der Art. 73 und 74 GG nicht eine Kompetenzvorschrift, auf die der Bund ein Gesetz stützen kann, so ist nicht der Bund, sondern die Länder zuständig. Selbst wenn es eine solche Vorschrift gibt, so ist in vielen Fällen zusätzlich zu prüfen, ob eine bundesgesetzliche Regelung wirklich erforderlich ist (siehe Art. 72 GG).
Was nun den Nichtraucherschutz angeht, so nennen die Kataloge der Art. 73 und 74 GG diesen nicht ausdrücklich. Es gibt jedoch (nach nicht einheitlicher Meinung der Juristen) eine Reihe von Vorschriften, die hier einschlägig sein könnten. So stützt die Bundesregierung ihren Vorschlag für gesetzliche Rauchverbote in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die Art. 73 I Nr. 6 (Luftverkehr), Art. 73 I Nr. 6a (Eisenbahnen), Art. 74 I Nr. 21 (Schifffahrt), Art. 74 I Nr. 22 (Kraftfahrtwesen) und Art. 74 I Nr. 23 (Schienenbahnen). In der juristischen Literatur wird als weitere Rechtsgrundlage für Rauchverbote, die hierüber hinausgehen z.B. Art. 74 Nr. 19 (Verkehr mit Giften; Bekämpfung gemeingefährlichen Krankheiten = Abhängigkeit vom Rauchen) genannt. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist der Meinung, dass eine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber, zum Schutz der nichtrauchenden Arbeitnehmer Rauchverbote zu verfügen, auf die Kompetenz des Art. 74 I Nr. 12 (Arbeitsschutz) gestützt werden kann.
Anders als wir sieht die Regierungskoalition hier - aus unserer Sicht nicht stichhaltige - verfassungsrechtliche Probleme insbesondere im Gaststättenbereich. Denn der Bund hat durch die Föderalismusreform des letzten Jahres die Gesetzgebungskompetenz für das Gaststättenrecht (Art. 74 I Nr. 11 GG) verloren - ohne dass bei der Föderalismusreform jemand über den Nichtraucherschutz diskutiert hätte; Grund für den Übergang dieser Kompetenz war vielmehr, dass die Länder ihre Zustimmung zu dieser Reform, die Blockademöglichkeiten im Bundesrat beseitigen sollte, davon abhängig gemacht haben, dass sie mehr eigene Gesetzgebungszuständigkeiten erhalten. Aus unserer Sicht heißt das jedoch nicht, dass über die Kompetenz Arbeitnehmer zu schützen, nicht auch Regelungen erlassen werden können, die in der Gastronomie beschäftigte Arbeitnehmer betreffen. Alles andere würde aus meiner Sicht die Kompetenz den Schutz der Arbeitnehmer umfassen zu regeln, leer laufen lassen. Selbstverständlich gibt es aus meiner Sicht Art. 74 I Nr. 12 GG auch her, Regelungen zu treffen, die Arbeitgeber verpflichten ihre Beschäftigten vor den Handlungen Dritter (in der Gaststätte rauchenden Gäste) zu schützen. Insgesamt liegt daher der Verdacht nahe, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken der Koalition teilweise eher einen mangelnden Willen widerspiegeln.
Bitte richten Sie auch an Ihre Schüler einen Gruß von Herrn Ströbele aus.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Lingemann