Frage an Hans-Christian Ströbele von Eckard K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Ströbele,
zu Ihrem Auftreten in abgeordnetenwatch.de zunächst mal meine Anerkennung, da können sich andere gewählte Volksvertreter gern eine Scheibe abschneiden.
Meine Frage bezieht sich wahrscheinlich auf ein etwas diffiziles Thema.
Als Helmut Kohl nachweisbar die Verfassung gebrochen hatte (Parteispendenskandal, schwarze Kassen), hat jemand Strafantrag gegen Ihn gestellt. Begründung: Meineid, weil er bei seiner Vereidigung geschworen hatte, die Verfassung und die Gesetze der BRD zu achten.
Soweit ich das Thema verfolgen konnte - irgendwann hat sich dann keines der Medien mehr dafür interessiert -, hat der zuständige Richter die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt: Begründung: Ein Eid solcher Art könne strafrechtlich nur verfolgt werden, wenn sich der Inhalt auf die Vergangenheit bezöge. Für Versprechen künftiger Verhaltensweisen sei ein Eid gar nicht geeignet.
Meine Anscht zu dieser Ablehnungsbegründung des Richters war geteilt: Man kann das so sehen, man hätte aber auch anders entscheiden können.
Aber was hat das Gericht mit seiner Entscheidung bewirkt ? Gar nichts.
Minister(innen)und Kanzler(innen) schwören fröhlich den Eid auf die Verfassung, in der Bundeswehr wird feierlich der große Zapfenstreich gefeiert: aber wenn sich alle an ihre Versprechen in keinster Weise halten - macht gar nichts, Begründung siehe oben.
Kann man diesen Hokuspokus denn nicht ein für alle Mal abschaffen?
MfG
Eckard Koch
Sehr geehrter Herr Koch,
man kann den von Ihnen "Hokuspokus" genannten ritualisierten Teil sicherlich abschaffen - wenn man dafür eine Mehrheit bekommt.
Gesellschaftliche Rituale, z.B. die große Feier bei einer Hochzeit, das kollektive Trauern nach einem Todesfall beruhen auf Traditionen vorbürokratischer Art. Das gemeinsame Feiern bei einer Hochzeit oder die Einweihungsfeier eines Hauses bringen der ganzen Gemeinschaft auch den damit verbundenen Rechtsakt ins Bewusstsein und es prägt sich der Gemeinschaft dauerhaft ein. Das so erzeugte kollektive Bewusstsein von dem Sachverhalt erweist sich sogar dann noch als ganz sinnvoll, wenn die Rechtsakte in schriftlicher Form fixiert werden und die Feier eigentlich nur noch dem Vergnügen dient. Denn Unterlagen, Heiratsurkunden oder Grundbücher können vernichtet werden und plötzlich ist man auf das gesellschaftliche Gedächtnis wieder angewiesen.
In diesem Sinne kann man Ihre Frage doch auch umgekehrt stellen: Statt aus der Tatsache, dass Herr Kohl sich an seinen Eid nicht hält, die Konsequenz ableiten zu wollen, von vornherein auf den Eid (im Sinne von Versprechen) zu verzichten, könnte man umgekehrt argumentieren, dass es doch gut ist, dass sich das kollektive Gedächtnis daran erinnert (Sie selbst sind das beste Beispiel) und von daher die Taten dann an dem Versprechen gemessen werden können.
Dass juristisch nicht das gebrochene Versprechen, sondern nur die nachgewiesenen Taten bestraft werden können, macht die angesprochene politisch-gesellschaftliche Funktion nicht gleich völlig sinnlos. Ich gebe Ihnen aber durchaus recht, wenn Sie daran erinnern, dass leider allzu oft zwischen großer Inszenierung und dann tatsächlich geübter Praxis große Gegensätze bestehen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele