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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andre K. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Andre K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Hans-Christian,

ich lebe mit meinem Bruder zusammen, ich arbeite und er kümmert sich um den Haushalt. Inszest begehen wir nicht. Obwohl wir gegenseitig Pflichten füreinander übernehmen, erhalten wir kein Ehegattensplitting und mein Bruder wird bei meinem Tod z. B. keine Rentenansprüche bekommen. Wir können auch keine Ehe/eLP eingehen. Mit jedem anderen Mann könnte ich mich durch eine eLP rechtlich absichern.

Da du vor kurzem mit anderen Abgeordneten im Bundestag eine Gesetzesvorlage für die Abschaffung des Eheverbots für Schwule eingebracht hast, habe ich folgende Fragen:

1. Welchen Zweck hat der Inzestparagraph bei gleichgeschlechtlichen, erwachsenen Geschwistern?
2. Hältst du den Inzestparagraphen für zwei erwachsene Brüder für geschwisternphob und menschenverachtend? Wenn ja, was unternimmst du dagegen?
3. Warum sollten zwei erwachsene Brüder keine eLP/Ehe eingehen können, besonders wenn sie gar keinen Inzest begehen, sondern nur bei gleichen Pflichten auch gleiche Rechte erhalten wollen?
4. Ist deine Eheforderung immer mit einer sexuellen Beziehung verbunden, sprich Ehevorteile nur gegen Sex? Wie kontrollierst du das?
5. Da wir muslimische Freunde haben und das Thema im Rahmen dieser Diskussion hochkam: Hältst du das Verbot, dass nicht mehr als zwei Menschen freiwillig die Ehe eingehen können, für diskriminierend und islamophob? Die Grüne Jugend fordert z. B., dass mehrere Menschen gemeinsam einen Bund fürs Leben eingehen können sollen und in schon über 60 Staaten der Erde gibt es die Mehrfachehe. Die Berliner Linkenpolitikerin Franziska Brychcy lebt mit zwei Männern in einer Wohnung, hat von einem drei und vom anderen ein Kind. Warum soll Franziska eigentlich aus deiner Sicht nicht die beiden Männer heiraten dürfen?
6. Was spricht aus deiner Sicht dagegen, dass drei sich liebende und füreinander sorgende Erwachsene nicht gemeinsam heiraten dürfen?
7. Was konkret unternimmst du, um die oben genannten Eheverbote zu beseitigen?

Vielen Dank
Andre

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kraus.

An Ihren Überlegungen ist etwas dran.

In der Tat spricht viel dafür, die Privilegien bei der Besteuerung, bei der Rente und beim Erben nicht nur Verheirateten und eingetragenen Partnern zuzubilligen, sondern auch anderen Menschen, die auf Dauer oder auch nur für lange Zeit zusammenleben, gemeinsam wirtschaften und aufeinander angewiesen sind.

Warum sollte das nicht auch für Paare gelten, die ohne kirchlichen oder staatlichen Segen zusammenleben. Die gesellschaftlichen Auffassungen zur Familie und Ehe haben sich ersichtlich verändert. Ein mir durchaus sympathischer Gedanke, der so ähnlich wohl auch bei der grünen Jugend zu finden ist.

Aber warum dabei halt machen. Zwei oder auch mehr Menschen, die ohne sexuelle Kontakte miteinander sich ganz einfach in einer Gemeinschaft zusammengefunden haben und Wohn- und Lebensgemeinschaften bilden, könnten ebenfalls in Betracht kommen. Das können Alte oder Junge sein oder auch Menschen anderen Generationen.

Aber dann stellt sich wiederum die Frage, warum gibt es diese Privilegien überhaupt. Ist es nicht zeitgemäßer und einfacher, sie abzuschaffen. Denn warum sollten zwei oder mehrere Menschen, nur weil sie zusammenleben, gemeinsam weniger Steuern zahlen, als zwei oder mehr einzelne. Vielleicht wäre die gerechtere Lösung, niemand wird bevorzugt und alle zahlen etwas weniger.

Jedenfalls dauern all solche grundlegende Veränderungen lange, weil sie mit dem Abbau von hergebrachten Privilegien verbunden sind. Es müssen genügend Menschen dafür sein, bis sie durchgesetzt werden können.
So fordern Grüne und andere schon mal die Abschaffung oder doch wenigstens das Abschmelzen des Ehegattensplitting.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele