Frage an Hans-Christian Ströbele von Christoph Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo Herr Ströbele,
wo bleibt Ihr Aufschrei bzgl. des Verhaltens des Snowden-Freundes Putin? Warum höre ich nichts von Ihnen, wenn das Völkerrecht auf diese brutale Art und Weise gebrochen wird?
Viele Grüße
Christoph Zieger
Sehr geehrter Herr Zieger.
Meine Stellungnahme zu Ukraine und Krim hätten Sie schon seit einer Woche auf meiner hompage und bei Facebook lesen können. Ich füge sie an:
Die Lösung der Ukraine-Krise in den Tatsachen suchen
Nicht weitgehend leere Sanktionsdrohungen noch gar Krieg helfen bei der Lösung der Krise. Die Berücksichtigung der Fakten, aller bestehender Vereinbarungen und die Einsetzung von unabhängigen, kompetenten und nicht vorbelasteten Vermittlern ist notwendig. Wenn dies die größte Krise seit Ende des kalten Krieges ist, sollten nicht die NATO, die USA, die EU oder die OSZE diese benennen, sondern die UNO und ihnen ein Verhandlungsmandat geben.
Russland und Putin verfolgen eine konsequente Machtstrategie. Es geht nicht nur, aber auch um die Sicherheit Russlands. Mit dem Ende der Sowjetunion hat Russland erheblich an Einfluss- und Machtbereich verloren. Putin will möglichst viel davon erhalten, vielleicht sogar zurückgewinnen. Dabei geht er skrupellos und rücksichtslos vor wie schon in Tschetschenien und Georgien. Trotzdem wurde er bei seinem Besuch im Deutschen Bundestag von fast allen mit Aufstehen und viel Applaus gefeiert.
Beim Abschluss des deutschen Einigungsvertrages 1990 wurde der Sowjetunion zugesichert, die NATO werde nicht nach Osten erweitert. Noch immer wird gestritten, ob das eine Bedingung für die Zustimmung zur Vereinigung war. Heute steht die NATO an Russlands baltischer Grenze, und auch sonst ist sie viele hundert Kilometer nach Osten vorgerückt. Von der Zusicherung ist keine Rede mehr. Stattdessen planen die USA in dem erweiterten NATO-Raum die Stationierung von gegen Osten gerichteten Raketenstellungen.
Für Russland ist die Vorstellung, dass die Ukraine nun auch noch Mitglied der NATO wird und eine NATO-Armee dann auf der Krim steht, möglichst noch mit einer Raketenstellung in Sichtweite des russischen Flottenstützpunkts, sicher noch gewöhnungsbedürftig. Angesichts der ganz offenen Forderungen nach einer Aufnahme der Ukraine in die NATO aus der größten Regierungspartei in Kiew ist diese Vorstellung durchaus real.
Die Aktivitäten der russischen Soldaten außerhalb ihrer Stützpunkte und die Verlegung weiterer Truppen auf die Krim verstoßen vermutlich gegen die Stationierungsvereinbarung Russlands mit der Ukraine. Sie sind dann eine Verletzung des Völkerrechts und insbesondere der territorialen Integrität und Souveränität dieses Staates.
Aber die NATO und insbesondere die USA sind nun wirklich nicht besonders glaubwürdige Kritiker solcher Rechtsverletzungen. Die NATO hat dieses Völkerrecht beim Krieg gegen Serbien 1999 oder in Afghanistan seit 2001 ignoriert. Und die USA scherte die territoriale Integrität und Souveränität weder bei der Besetzung Grenadas noch bei der Blockade und Invasion Kubas oder beim Einmarsch in den Irak und beim Drohnenkrieg in Pakistan, im Jemen oder in Somalia. Sie haben allen Grund, jetzt leise zu sein und sich zurückzuhalten.
Eine rechtsförmige Legitimation für die Absetzung des ukrainischen Präsidenten und die Einsetzung der neuen Regierung in Kiew fehlt. Ob alle Abgeordneten der Rada in Kiew bei ihren Entscheidungen der letzten Wochen stets nur ihrem Gewissen unterworfen waren und frei von Aufträgen und Weisungen gehandelt haben, kann angesichts der Macht des Volkes und der Gewalt der Bewaffneten des Maidan vor und in dem Parlamentsgebäude zweifelhaft sein. Aber es war unzweifelhaft eine revolutionäre Situation, in der die normalen Regeln für die Umsetzung des Volkswillen in staatliches Handeln nicht gelten und wohl auch nicht gelten können. Aber wenn das für Kiew gilt, was gilt dann auf der Krim und für die Entscheidungen des dortigen Regionalparlaments?
Die Aussetzung von Verhandlungen mit Russland über Visa-Freiheit wird Putin nicht beeindrucken und von einer Annexion abhalten. Das Drehen an einer Schraube von gegenseitigen Wirtschaftssanktionen schadet allen mehr als es nützt. Den Einsatz von Militär kann niemand wollen. Großer Sanktionsworte sind genug gewechselt.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele