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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Marco S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Marco S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Was Sie durch Ihr Treffen mit Ed Snowden angestoßen haben finde ich mutig und befürworte es prinzipiell. Allerdings befürchte ich, dass die Aufklärungsversuche gegenteilige Wirkung erreichen werden. Sollten politische Prozesse eine Dynamik entwickeln, die zu effektiver Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten amerikanischer Organisationen führen, wird es auch in Deutschland zu Terroranschlägen kommen. Sei es
a) weil die Geheimdienste bisher tatsächlich Anschläge verhindern und sie es dann nicht mehr könnten (optimistische Prognose)
oder
b) weil (im Falle ausbleibender Anschläge) Geheimdienste und die milliardenschwere Sicherheitsindustrie um ihre Daseinsberechtigung fürchten müssten.

Im Prinzip: Erpressung. Die Mafia bietet Schutz gegen Geldzahlungen, Geheimdienste bieten angeblichen Terrorschutz gegen Dateneinsicht (und Bezahlung). In beidem Fällen greifen die Mechanismen von Angebot und Nachfrage. Das Schutzangebot steht. Sollte die Nachfrage schwächeln oder gar fehlen, kann sie erzeugt werden. Wie die Mafia das macht, ist bekannt. Wie die Geheimdienste so etwas anstellen würden, kann man sich denken. Wie könnte man die Terrorbekämpfung hinterfragen, ohne einen Gegenbeweis herauszufordern?

Das Geheimdienste spionieren liegt in der Natur dieser Organisationen. Und würden die sich dabei an Recht und Gesetz halten, müssten sie nicht geheim sein.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein möglicher Ausweg aus dem aktuellen Dilemma?

Ich kann mich der Vermutung nicht mehr erwehren, dass die grundlegende Politik auf geheimdienstlicher Ebene stattfindet. Politiker dürfen sich an den Details abarbeiten. Sie übernehmen die Funktion eines Avatars zur Vermittlung gegenüber der Bevölkerung (vgl. dazu Herr Friedrich und das „Supergrundrecht“). Ich frage Sie als erfahrenen Politiker: Welche Strukturen können einen erwachsenen Mann zu so einer erbärmlichen Vorstellung zwingen/ motivieren?
Wieso gibt es kaum Whisleblower unter den Politikern? Wissen wirklich nur sehr wenige Bescheid?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmidt.

Na ja, da gibt es schon Unterschiede zwischen den Geheimdiensten und der Mafia.

Inwieweit die Arbeit der Geheimdienste terroristische Anschläge verhindern, ist sehr umstritten. Schon deshalb kann man von "Erpressung" nicht sprechen. Im Übrigen ist die Gewährung von Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und die Aufklärung von Straftaten in erster Linie Aufgabe der Polizei. Das gilt auch für terroristische Straftaten. Die Bedeutung der Tätigkeit der Geheimdienste wird auch häufig überschätzt. Eben weil so vieles unbekannt und geheim ist, weiß auch keiner wie verläßlich die Erkenntnisse der Geheimdienste sind. Es soll Bundeskanzler gegeben haben, die haben die Lektüre der Berichte der Dienste abgelehnt, weil sie sich durch die Lektüre der Neuen Züricher Zeitung besser informiert fühlten. Und nicht zu übersehen ist, daß die Geheimdienste über wesentliche politische Entwicklungen der jüngeren Zeit völlig ahnungslos waren, wie etwa über die Stärke der Demokratiebewegungen zunächst in Osteuropa und dann in Nordafrika, und in vielen Fällen mit Ihren Erkenntnissen auch immer wieder völlig falsch lagen wie etwa mit der Behauptung Saddam Hussein verfüge im Irak über Massenvernichtungswaffen.

Mit freundlichem Gruß

Ströbele