Frage an Hans-Christian Ströbele von Wolfgang M. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Hr. Ströbele,
aktuell steht Deutschland wieder vor der Entscheidung, ob es sich an einer militärischen Auseinandersetzung beteiligen will.
Sucht man das Grundgesetz nach "Streitkräfte" ab, so findet man neben dem Katastropheneinsatz nur "Verteidigung". Außerdem darf man einem Verteidigungsbündnis beitreten. So wurde es mir bei der Ableistung meiner Wehrpflicht in den 60er Jahren erklärt.
Inzwischen mischen wir militärisch uns zur "Verteidigung der Menschenwürde" in innere Angelegenheiten anderer Länder ein (Kosovo), wir führen "Krieg gegen den Terrorismus" auf dem Boden Afghanistans, wir stehen Aggressoren aus der NATO bei, falls der Angegriffene einen Gegenangriff durchführen sollte (Amerikanischer Stützpunkt in der Türkei im 1. Irak-Krieg).
Die Frage ist, ob dies alles wirklich durch das Grundgesetz gedeckt ist. Die überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten hat diesen Einsätzen zugestimmt. Die Frage ist, ob das reicht.
Beim Kanzler-Duell sprach Fr. Merkel von UN-Resolutionen, NATO-Beschlüssen und EU-Beschlüssen zur Rechtfertigung von militärischen Einsätzen.
Sollten die Voraussetzungen für ein militärisches Eingreifen der Bundeswehr nicht eindeutig im GG stehen? Dazu müsste eine offene gesellschaftliche Diskussion ohne einen konkreten Anlass geführt werden. Wenn man bis zu 90% Zustimmung zu den letzten Einsätzen erreicht hat, dann müsste man doch auch die 66% für eine GG-Änderung zusammenbekommen. Dann stände die Rechtmäßigkeit auf einer festen Basis und nicht auf fintenreichen Begründungen wie heute.
Sehe ich das Problem richtig?
Könnten sich die Grünen für eine entsprechende Klarstellung im GG einsetzen?
Wie die UN zu ihren Entscheidungen kommt, ist bekannt.
Wie wird die Entscheidung in der NATO getroffen? Mehrheitlich? Nach gewichteter Mehrheit? Mit Vetorecht?
Wie wird die Entscheidung in der EU getroffen? Im Parlament? Im Ministerrat der Verteidigungsminister? Im Europäischer Rat?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Mücke
Sehr geehrter Herr Dr. Mücke.
In der NATO werden die Kriegsentscheidungen einstimmig getroffen. Die EU hat keine gemeinsame Verteidigungspolitik.
Eine Ergänzung des Grundgesetzes halte ich nicht für nötig und nicht für richtig. Die derzeitige Verfassungslage wurde vom Bundesverfassungsgericht entwickelt und aus dem Grundgesetz abgeleitet, soweit sie dort nicht ohnehin normiert war etwa für Verteidigungszwecke. Die Rechtsprechung ist inzwischen so differenziert, daß ein Artikel im Grundgesetz nicht zu mehr, sondern eher zu weniger Rechtssicherheit führen könnte. Außerdem wäre es wohl schwierig eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine konkrete Regelung im Grundgesetz zu finden. Zu einem einzelnen Kriegseinsatz gibt es eher solche Mehrheiten etwa wegen Bündniszwängen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele