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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Dieter von S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Dieter von S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

Soviel mir bekannt ist, sitzen Sie im parlamentarischen Kontrollgremium
des Verfassungsschutzes.
Sie und andere haben öffentlich (Einblendung in Nachrichtensendung (ARD) vor ein paar Tagen) erklärt, daß der Verfassungsschutz behauptet, nichts über die massive Datenspionage der USA gewußt zu haben. Wie kann es sein, daß in den Medien behauptet wird, daß die massive Spionagetätigkeit der USA in Deutschland seit Jahrzehnten öffentlich bekannt ist, aber der BND nichts davon weiß? (Quelle: ARD-Sendung mit Anne Will am 3.7.13, http://www.ardmediathek.de/das-erste/anne-will/deutschland-bespitzeln-snowden-verfolgen-sind-diese?documentId=15683222 und ZDF mit Maybritt Illner am 4.6.13, http://maybritillner.zdf.de/ )
Lesen die Leute im BND nicht Zeitung, wenn sie schon sonst nichts
herausfinden?
Wie kann es sein, daß der Verfassungsschutz auf diesem Gebiet nicht in der Lage ist, die Deutsche Verfassung zu schützen und auch anscheinend in den letzten Jahren keinerlei Bemühungen dahingehend unternommen hat, mit dem Argument, die USA wären eine befreundete Nation? (obwohl die Spionage, wie oben erwähnt, anscheinend schon lange bekannt war? Quelle: Maybritt Illner, ZDF, 4.6.13)
Wie können Sie in dem Kontrollgremium derartige Mißstände dulden?
Warum hat die Rotgrüne Koalition damals diese Mißstände nicht
angesprochen?
Welche Möglichkeiten haben Sie, diese Mißstände zu verändern?

Mit freundlichen Grüßen
In tiefster Beunruhigung

Dieter von Siemens

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Siemens,

wie es sein kann, daß der BND nichts weiß, müssen Sie in erster Linie den BND fragen. Die Dimension der von Herrn Snowden behauptete Datenausspähung der NSA aus Deutschland in einer Anzahl von 500 Millionen pro Monat und das gar seit Jahrzehnten war jedenfalls in der deutschen Öffentlichkeit nicht bekannt, sonst gäbe es ja jetzt keine so große Aufregung darüber. "Seit Jahrzehnten" kann auch gar nicht sein, weil es vor zehn und mehr Jahren ein solches Datenaufkommen in Deutschland noch gar nicht gegeben hat. Die Anzahl der aufgefangenen Datenverbindungen im ganzen Jahr 2000 soll mehr als tausend Mal geringer gewesen sein als die, die jetzt für einen Monat angegeben wurde.

Richtig ist, daß die NSA und übrigens wohl auch andere US-Dienste schon immer Daten deutscher Bürgerinnen und Bürger ausgespäht haben. Sie haben auch Daten an die deutschen Dienste übermittelt, aber nicht in dem Umfang und in den Dimensionen, die von Snowden berichtet wurden. Die Bundesregierung und der Innenminister haben diese Datenausspähung selbst angegeben und damit zu rechtfertigen versucht, daß die Datengewinnung und Übermittlung hilfreich war für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Schon am 11. Juli 2001 wurde ein fast 200 Seiten starker Bericht des Untersuchungsausschusses des EU-Parlaments vorgelegt, in dem die Datenausspähung durch die NSA in Europa und insbesondere in Deutschland im Programm "Echelon" ausführlich beschrieben und kritisiert wurde. In diesem Bericht werden Vorschläge etwa für parlamentarische Kontrollen gemacht, die in Deutschland weitgehend Standard sind. Der Bericht war und ist öffentlich.

Die jetzt von Snowden berichteten Mißstände hat das Kontrollgremium nicht kennen können. Dazu lagen bis zu den Presseberichten vom 7.6.2013 keine Informationen vor und die Bundesregierung behauptet ja bis heute, ihr und den Diensten sei davon nichts bekannt gewesen.

Jetzt muß vor allem und in erster Linie ein sofortiger Stopp des Datenklaus durch die NSA bei den USA erreicht werden. Bundesregierung und Kanzlerin müssen das durchsetzen.
Wenn die Berichte von Snowden bestätigt und gar bewiesen sind, sollten gesetzgeberische Konsequenzen gezogen werden wie etwa, daß die Beschränkungen und Kontrollen, die für Datenauspähen der deutschen Dienste bereits gelten auch für die Übernahme von Daten von US-Diensten Anwendung finden müssen. Außerdem müssen Datenschutzregelungen für die ganze EU und darüber hinaus international verhandelt und in Kraft gesetzt werden

Die deutschen Geheimdienste haben immer wieder angegeben - auch gegenüber Untersuchungsausschüssen des Bundestages -, daß US-Geheimdienste nicht Objekte Ihrer Bemühungen und Beobachtungen sind, weil es sich um Freunde und Verbündete handelt. Freunde spioniere man nicht aus. Die US-Geheimdienste sehen und praktizieren das wohl anders.

Ich halte diese Selbstbeschränkung weder mit der gesetzlichen Aufgabenzuweisung für die deutschen Dienste noch mit dem Strafgesetzbuch vereinbar.

Mit freundlichem Gruß

Ströbele