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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Uwe S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Uwe S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

in 2000 Zeichen versuche ich ein Bild aufzuzeigen welches die Grundlage meiner Gedanken und Fragen bildet.

Wir sind ein Volk und sollen/dürfen unsere Vertreter (Stammesälteste/Abgeordnete) wählen, die Entscheidungen in unserem Sinne treffen. Wählbar sind im Prinzip aber nur Parteien, weil Einzelbewerber meist nicht die finanziellen Mittel haben. Zwar sind die Abgeordneten ihrem Gewissen verantwortlich stehen aber unter Fraktionsdruck.

Können Sie sich ein Parlament (Ältestenrat) vorstellen, welches nur aus Partei- bzw. Fraktionslosen besteht ? - Aus echten, transparenten, 24 Std. tgl. Vollblut-Volksvertretern, die für uns demokratische Entscheidungen treffen, keine anderen Tätigkeiten ausüben, solange es noch Elend und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft gibt ?

Parteilose benötigen 10% der abgegebenen Stimmen, um 2,80 Euro / Stimme zu bekommen, bei 9,99 % geht ein/e parteilose/r Kandidat/in leer aus. Abgesehen davon, dass er in Vorkasse gehen muss. Benötigt ein Einzelbewerber auch 10% der Stimmen, um ein Mandat zu erhalten oder nur 5% wie die Parteien ?

Wenn 10 Kandidaten jeweils 10% der Stimmen bekommen, dann hätten wir 2.990 Abgeordnete aus den 299 Wahlkreisen für den Bundestag. So viele Sitze gibt es da nicht, aber ich will ja auch nur ein Bild transportieren.

Wenn anstatt Lobbyisten, die Wähler selbst ihre Volksvertreter bezahlen, z.B. mit 1,- Euro / Monat, dann wären unsere Stammesältesten auch nur ihren Geldgebern verpflichtet und das wäre in diesem Fall das Volk selbst. - ( Das Parlament aus Parteilosen könnten unter sich die Minister wählen.)

Halten Sie einen Machtwechsel durch parteilose Politik auch legal für möglich ?
Sprich, wie sähe es gesetzlich aus, wenn plötzlich keine Partei mehr eine Stimme erhält ?

Dieses Schreiben ist weit entfernt von Vollständigkeit.
Vlt. habe ich Glück und mein Bild ist trotzdem bei Ihnen angekommen.

Freundliche Grüße
Uwe Stegmann

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Stegemann.

Nein das kann ich mir nicht vorstellen. Wie wollen Sie die von Ihnen so idealisieren Volksvertreter finden und wählen? Auch Politiker sind Menschen mit Stärken und Schwächen, die nicht 24 Stunden funktionieren können, sich irren und in einer Umgebung leben, die sie beeinflußt. Ein Parlament aus 2990 Personen wäre wohl kaum diskussions- und funktionsfähig. Die Volksrepublik China ist jedenfalls kaum eine Empfehlung für solche Mammutveranstaltungen.

Ihr Vorschlag ist auch mit dem Grundgesetz schwer zu vereinbaren. Diese sieht ausdrücklich vor, daß Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken, also auch bei des Aufstellung von Kandidaten für die Parlamente. Deshalb bekommen sie auch Geld vom Staat.

Über Parteien kommen Fachleute in den Bundestag, die vielleicht bei einer Direktwahl aller Abgeordneten keine Chance hätten, aber dringend gebraucht werden, um Regelungen komplizierter Gesetzesmaterien und deren Folgen zu beurteilen.

Recht haben Sie allerdings damit, daß die Parteien in vielen modernen parlamentarischen Demokratien inzwischen zu dominierend geworden sind und bei uns zu viel öffentliche Mittel erhalten. Sie haben nicht nur weitgehend in der Hand, wer Abgeordneter wird, sondern vor allem wer nicht. Über die politischen Parteien werden zudem viel zu viele Aufsichtsposten in Wirtschaft (etwa Landesbanken, Flughafengesellschaften) und Gesellschaft (etwa Rundfunkräten) bestimmt mit nicht selten dramatischen Folgen und Versagen wie beim BER oder bei der Landesbank in Berlin.
Recht haben Sie auch damit, daß die Finanzierungsmöglichkeiten des Wahlkampfes von Direktkandidaten für Bundestag oder Landtag, die von keiner Partei aufgestellt und unterstützt werden, verbessert werden sollten, um auch solchen ohne größere Eigenmittel eine faire Chance zu geben. Schon vor Jahren hatte ich versucht, dazu Vorstellungen zu entwickeln. Die Auswahl der Direktkandidaten in einer Art Vorwahl, die dann staatliche finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen können, wie in der USA wäre vielleicht eine Möglichkeit.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele