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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Norbert W. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Norbert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Ströbele,

war die sogenannte Wehrpflicht ein Bruch des GG? Niemand darf aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt werden heißt es im Grundgesetz, aber Männer mußten aufgrund ihres Geschlechtes Kriegsdienst oder Zwangsarbeit ableisten, also lag doch hier ein klarer Grundgesetzbruch vor. Dabei war die Wehrpflicht nicht nur eine Benachteiligung, sondern eine massive Menschenrechtsverletzung, vom Kriegs oder Krisenfall ganz zu schweigen. Politiker halten zur Rechtfertigung zwei Antworten bereit:

1. Es steht im Gesetz
2. Frauen bekommen Kinder

Die 1 Antwort könnte auch von einem chinesichen Politiker sein, sie erklärt oder rechtfertigt nichts.
Die zweite Antwort ist entweder dumm oder dreist, erklären muß ich das sicher nicht.

Haben Sie eine redliche Begründung dafür, warum die Wehrpflicht nicht gegen das GG verstieß und weder eine Benachteiligung noch eine Menschenrechtsverletzung vorlag? Wenn nicht, warum liefen die grünen nicht Sturm in den Medien, so wie ihr doch lautstark für Frauenrechte kämpft?
Die Abschaffung der Wehrpflicht habt ihr zwar gefordert, diese aber nie als Benachteiligung von Männern und somit als Verfassungsbruch gebrandmarkt
mfg.

Norbert Weber

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weber.

In der Regelung der Wehrpflicht nur für Männer wurde kein Bruch des Grundgesetzes gesehen, weil das Grundgesetz selbst diese Verpflichtung in Artikel 12 a vorgesehen hat. Die Wehrpflicht für Männer konnte somit nicht gegen das Grundgesetz - also quasi gegen sich selbst - verstoßen. In Artikel 12 a Absatz IV letzter Satz GG wird sogar ausdrücklich festgeschrieben, daß "Frauen zum Dienst mit der Waffe auf keinen Fall verpflichtet werden dürfen".
Artikel 12 a GG hat genauso Verfassungsrang wie Artikel 3 GG. Er ist somit eine gleichrangige Wertscheidung des Grundgesetzgebers also des Parlaments mit mindestens der Zwei-Drittel-Mehrheit.

Selbstverständlich ist nicht nur den Grünen aufgefallen, daß mit dieser Regelung Männern in der Verfassung mehr Pflichten als Frauen auferlegt wurden. Immer wieder wurde auch gerade auch von Frauen aus der Frauenbewegung, die in der grünen Partei aktiv waren, diskutiert, ob nicht eine Gleichstellung der Frauen auch in diesem Bereich gefordert werden sollte. Aber weil die Grünen ohnehin stets gegen die Wehrpflicht insgesamt waren und deren Abschaffung forderten, schien es inkonsequent, eine Wehrpflicht für Frauen zu fordern, die wir grundsätzlich eben auch für Männer abgelehnten und für falsch hielten.
Inzwischen ist die Diskussion weitgehend obsolet, weil die Wehrpflicht ja weitgehend auch für Männer zumindest mal ausgesetzt ist.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele