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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Matthias B. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Matthias B. bezüglich Recht

Lieber Herr Ströbele,

habe eine Frage zur Nazi-Geschichte der Berliner Arbeitsämter, deren Zentrale bei Ihnen im Wahlkreis liegt (Friedrichstr. 34 bzw. Rückseite Charlottenstr. 90-94). Von dort aus wurden in den Jahren 1940 bis Oktober 1943 vermutlich mehr als 500 Studierende zur Germanisierung ins zerschlagene Polen gesandt. Die Regionaldirektion Berlin-Brbg der BA für Arbeit, die dort heute sitzt, konnte und wollte zum Forschungsstand, Dokumentation oder neuen Begegnungsreisen/ Akademikerexkursionen keine Auskunft geben in den letzten vier Jahren.

Das Phänomen: ein Bekannter von mir hat 5-6 Verpflichtungsbescheide für Berliner Studierende aus dem Jahr 1943 mit Adresse Charlottenstr. gefunden, im Staatsarchiv Lublin: www.gplanost.x-berg.de/AABerlin_Verpflichtungsbescheid1943Osteinsatz.htm Das JobCenter bzw. die Regionaldirektion droht ihm gerade mit Sanktionen, weil er tagsüber weiter zum Thema forscht, hunderte Seiten Archivalien ordnet und den Nazi-Studenteneinsatz für verbrecherisch und daher wichtig für sofortige Aufarbeitung hält.

Frage: Wie sehen Sie das Thema politisch und rechtlich? Gilt eventuell die Geheimhaltungsverpflichtung von damals noch, die die Studies alle unterzeichnen mussten? Und wie ist es mit der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl. I S. 206) und der Dienstpflicht-Durchführungsverordnung vom 2. März 1939 (RGBl, I S. 403), die damals die Rechtsgrundlage darstellte, ist die auch noch wirksam? Kann und muss evtl. das JobCenter oder die Regionaldirektion der BA das ALG II kürzen, weil die heutige Behörde evtl. Immer noch an das Nazi-Gesetz von 1939 gebunden ist?

Gesetze und Verwaltungsrecht funktioniert oft sehr anders als Mensch denkt. Ich war geschockt zu sehen, dass der Direktor eines JobCenters Forschungsaktivitäten schriftlich tagsüber untersagte und bin gespannt, wie Sie das rechtlich und politisch sehen.
mfG. M. Burchard

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Burghard.

Zunächst einmal vielen Danke für die Information. Sicher ist der von Ihnen mitgeteilte Vorgang aufklärungs- aufarbeitungsbedürftig. Ich will auch gerne dabei helfen.

Ganz verstanden habe ich aber den Sachverhalt noch nicht. War die Zentrale des zuständigen Amtes damals auch schon in der Charlottenstraße? In welchem Verhältnis steht Ihr Bekannter, der den Fund gemacht hat, zum heutigen Job-Center? Ist er dort angestellt oder Hartz-IV-Bezieher und wieso kann ihm das Job-Center drohen, wenn er tagsüber in der Sache forscht? Und was steht genau in den Verpflichtungsbescheiden von damals? Die genannte Fundstelle kann ich nicht öffnen?

Die Dienstpflicht-Durchführungsverordnung und die Geheimhaltungsverpflichtung von damals sind mir nicht bekannt. Ich kann deshalb nicht beantworten, ob sie formal heute noch gelten. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, was ich mir nicht vorstellen kann, gehe ich davon aus, daß diese heute nicht mehr verbindlich sind.

Wenn Sie mir zu den vorstehenden Fragen Näheres mitteilen, kann ich versuchen, der Sache auch bei der Direktion nachzugehen, um die Forschung zu ermöglichen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele