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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Clemens G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Clemens G. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ströbele,

mit der vorl. Entscheidung des BVerfG zum ESM sind diesem von Grund auf undemokratischen, unfreiheitlichen Konstrukt, dem sich á la Thomas Hobbes´ »Leviathan« Generationen unterwerfen sollten, um die BRD bis in alle Ewigkeit zu Zahlungen in astronomischer Höhe zu verpflichten, die schlimmsten Zähne gezogen worden. Dieses haben die Kläger wie (auch) Sie erreicht. Darum zunächst an dieser Stelle anerkennenden und herzlichen Dank. Gleichwohl beschäftigt mich folgendes bzgl. ESM, GG, AEUV nach wie vor (ganz besonders):

Art. 20 GG
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Das BVerfG hat eben auch - bei geltender Regelung des Art. 125 I AEUV - entschieden, daß die BRD per ESM mit 190 024 000 000 € vertragsgebunden für die Schulden anderer EU-Mitgliedsstaaten haftet. Der Bundespräsident hat daraufhin den ESM-Vertrag unterzeichnet. Insoweit ist (wird) dieser Vertrag jetzt für die BRD wirksam. Eine solche Schulden-Haftung ist aber mit Art. 125 I AEUV unvereinbar, weil diesem zufolge jegliche Haftung solcherart für die Union wie für den einzelnen Mitgliedestaat AUSGESCHLOSSEN ist. Demnach sieht sich vorliegend das BVerfG in seiner Rechtsprechung (wie auch der Bundespräsident) NICHT an (EU)Recht und Gesetz gebunden, welches gleichwohl, insbesondere nach dem Karlsruher Richterspruch, für die Bürger der BRD bindend sein soll.

Außerdem konterkariert die Karlsruher Entscheidung Art. 109 III GG. Wie viel Geld Deutschland nach Europa schickt, entscheidet zwar nun ab 190 024 000 001 € allein der Bundestag, jedoch egal, wie hoch er bzw. die BRD sich dafür verschuldet. Daß es eine finanzielle Obergrenze für Transfers nach Europa geben könnte, von der an das Grundgesetz erschöpft sei, ist nicht (mehr) erkennbar!

Deshalb meine Frage: Wie erklären Sie diese Unstimmigkeiten?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gutsche.

Ihre Auffassung zu Artikel 125 I AEUV teile ich nicht. Sie müssen die Vorschrift bis zum Ende lesen und dazu noch Artikel 136 III AEUV. Dort heißt es, daß Ausschluß der Haftung von Union und Mitgliedstaat für Verbindlichkeiten der Zentralregierungen "unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gesamte Durchführung eines bestimmten Vorhabens gilt". Das Bundesverfassungsgericht stellt zutreffend fest, daß "den Mitgliedstaaten im Übrigen frei steht, über die bestehenden wirtschafts- und haushaltspolitischen Bindungen des Unionsrechts hinaus weitere Bindungen einzugehen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben geraten". Und "im Bereich der in Art. 125 I AEUV normierten Haftungsausschlüsse läßt Art. 136 Abs. 3 AEUV nunmehr freiwillige Finanzhilfen zu, die allerdings nicht losgelöst von weiteren Anforderungen und nicht zu beliebigen Zwecken gewährt werden können". Der ESM mag politisch falsch sein und verfassungsrechtlichen Grundsätzen widersprechen, etwa weil die Haftungsgrenze zu unbestimmt geregelt ist. Deshalb habe ich ja auch mit NEIN gestimmt. Aber die von Ihnen genannten Artikel AEUV stehen nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht ist für die Entscheidung der politischen Frage nicht zuständig und zur Sicherung der Haftungsgrenze hat es in seiner Entscheidung Klarstellungen verlangt. Die von Ihnen angeführten Unstimmigkeiten sehe ich nicht.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele