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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Guido D. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Guido D. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

ich bin Naturwissenschaftler, somit juristischer Laie, aber ich habe den ESM Vertragstext - direkt von der Web Seite des Bundesfinanzministeriums als pdf - gelesen und mir wird schlecht!

Wie kann es sein, dass ein so offensichtlich sittenwidriger, rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien verletzender Vertrag überhaupt zur Abstimmung gelangen kann?

Als sittenwidrig sehe ich den Vertragsenwurf an, da er keinerlei Kündigungs- oder Widerrufsklausel enthält. Selbst unser Grundgesetz hat das (wie ich inzwischen finde, leider!).

Rechtsstaatliche Prinzipien sehe ich verletzt, weil die Einrichtung des ESM und seine Bediensteten über dem Gesetz stehen und vor jeder Gerichtsbarkeit immun gestellt sind. Die Immunität kann nur der ESM selbst aufheben, sie umfasst "jede[r] sonstige[n] Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen"

Wo bleibt da die Gewaltenteilung?

Eine externe Buchprüfung findet zwar statt, der Gouverneursrat muss aber zustimmen. Ja wo leben wir denn?

Demokratische Prinzipien sehe ich verletzt, weil die Tagungen und Dokumente des ESM der Geheimhaltung unterliegen und seine Bediensteten zur Verschwiegenheit verprflichtet sind, niemandem Rechenschaft oder Akteneinsicht schuldig sind. Die Gouverneure dürfen sogar selbst ihre Bezüge festsetzen und sind - abgesehen von einer ebenfalls selbst festgelegten Steuer - sogar steuerbefreit.

Das alles liest sich für mich wie eine Einladung an Korruption und Mißbrauch, wie sie das organisierte Verbrechen nicht schöner hätte formulieren können!

Das historische Ermächtigungsgesetzt von ´33 wirkt im direkten Vergleich fast wie Kindergeburtstag.

Bitte, wie kann ein solcher Vertragsentwurf rechtens sein? Es sollen ja (schrieb der Spiegel, amerikanische Anwälte die Verfasser sein).

Zuletzt, weshalb finde ich unter Ihren Antworten sowenige zum ESM Vertragstext?

Für Ihre Antwort wäre ich sehr dankbar
mit freundlichen Grüßen,
G.Deimel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Deimel.

Sie legen die falschen Maßstäbe an. Der ESM ist kein Staat, auch keine staatliche Institution, auch keine der EU.
Der ESM ist keine demokratische Institution, sondern ein internationales Vertragswerk, für das demokratische Prinzipien und Gewaltenteilung nicht gelten. Das ist bei sonstigen Finanzeinrichtungen weder innerstaatlichen noch internationalen auch nicht üblich. So hat nicht jeder Vertreter im Gouverneursrat das gleich gewichtige Stimmrecht. Das Stimmrecht richtet sich auch nicht nach der Größe der Bevölkerung der dort vertretenen Länder, sondern nach dem Anteil der Stammeinlage also nach der Höhe des Kapital. Das ist für Wirtschaftsverträge und wirtschaftliche Institutionen nichts Besonderes. Der ESM wird auch nicht demokratisch kontrolliert. Das Europäische Parlament hat ihm nichts zu sagen und nicht einmal das Recht zu erfahren, was dort verhandelt wird. Die Parlamente der Staaten haben allenfalls indirekt Einfluß.
Die Regelungen über die Immunität sind die für diplomatische Vertretungen. Sie gilt nicht allgemein etwa für alle Straftaten, sondern nur für Handeln in Erfüllung der Aufgaben des ESM.
Das soll keine Billigung dieser Konstruktion sein, sondern nur eine Feststellung. Eigentlich müßte der ESM Teil der EU-Institutionen sein. Aber das ist nicht der Fall - einer der Gründe, warum ich mit NEIN abgestimmt habe.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele