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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Sven R. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Sven R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ströbele,

Der ESM-Vertrag gleicht einer Art "Ermächtigungsgesetz":

Art. 8, Abs. 1 Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR.
Art. 10, Abs. 1 [...] Der Gouverneursrat kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 [...] entsprechend zu ändern.

Das Stammkapital (und damit Deutschlands Anteil) kann nach belieben (!) erhöht werden.

Art. 32 Abs. 3 Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art [...]
Art. 32 Abs. 4 Das Eigentum, die Mittelausstattung und die Vermögenswerte des ESM genießen [...] Immunität von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen.
Art. 35 Abs. 1 Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.

Der ESM und seine Mitarbeiter befinden sich in einem rechtsfreien Raum!!!

Der ESM, erhält beliebig viel Geld ohne demokratische und gerichtliche Kontrolle. Das Handeln der Mitarbeiter unterliegt keiner Verantwortung. Das ist unvereinbar mit rechtsstaatlichen UND demokratischen Prinzipien. Mit dem ESM-Vertrag wird ein "Ermächtigungsgesetz" installiert. Werden Sie dem ESM-Vertrag am 29. Juni zustimmen? Können Sie den Wählern und Wählerinnen verdeutlichen, warum sie in den Artikeln und dem ESM insgesamt keine Probleme sehen?

Mit freundlichen Grüßen
Sven Richter

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Richter.

Sie berücksichtigen Wesentliches nicht:
Der ESM kann nicht das Stammkapital "nach Belieben" erhöhen. Die Aufstockung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Vor allem werden Gouverneursrat und Direktorium weitgehende Entscheidungen nicht ohne die Zustimmung der Regierungen, für die sie dort Mitgliedsrechte wahrnehmen, treffen. Die Gouverneure sind sogar Mitglied ihrer Regierungen. Derektoren sind von den Regierungen benannte Fachleute. Beide handeln im Auftrag der Regierungen und sind diesen verantwortlich. Deutschland hält in diesen Gremien fast 28 % der Anteile und hat entsprechend hohe Stimmrechte. Da solche weitgehenden Entscheidungen nur einstimmig oder mindestens mit 85 Prozent der Anteile getroffen werden können, hat Deutschland faktisch ein Vetorecht. Und Zustimmungen der Bundesregierung bedürfen der vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Mitarbeiter des ESM und Mitglieder der Gremien arbeiten nicht in rechtsfreiem Raun, sondern unterliegen den Gesetzen wie andere Bürger auch. Lediglich für Handlungen in Ausführung ihrer Aufgaben beim ESM haben sie Immunität, die von den Gremien des ESM aufgehoben werden können. Das ist bei EU-Institutionen üblich.
Die inneren Regeln des ESM sind nicht demokratisch. Das müssen sie auch nicht sein. Das ist bei Einrichtungen durch internationale Verträge auch nicht üblich. Es handelt sich ja nicht um staatliche oder EU-Einrichtungen.

Suggerierte Gleichsetzungen des ESM mit dem Ermächtigungsgesetz in Deutschland von 1933 sind daneben.

Ich habe gegen ESM und Fiskalpakt im Bundestag gestimmt, aber aus anderen Gründen, die Sie vielen meiner Antworten in abgeordnetenwatch und meiner homepage entnehmen können.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele