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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Florian E. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Florian E. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ströbele,

in Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Strotkamp vom 20.06.2012 weisen Sie darauf hin, dass eine Erhöhung des Stammkapitals des ESM nur mit Zustimmung des deutschen Gouverneursratsmitgliedes möglich sein wird:

"Richtig ist, daß das Stammkapital des ESM erhöht werden kann. Aber für eine Zustimmung der deutschen Vertreter im Gouverneursrat (übrigens ein Mitglied des Bundesregierung) und im Direktorium ist die vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages erforderlich. Die deutschen Vertreter verfügen über 27 % des Stimmrechts, haben faktisch ein Veto bei wichtigen Entscheidungen."

Dazu möchte ich anmerken:

1. Der Deutsche Bundestag hat KEINE Möglichkeit, das deutsche Mitglied des Gouverneursrates zur Rechenschaft zu ziehen, falls es GEGEN den Beschluss des Bundestages abstimmt, denn es genießt umfassende Immunität.

2. Der deutsche Bundestag hat KEINE Möglichkeit, die korrekte Verwendung der Mittel des ESM zu kontrollieren, denn die Räume und Akten des ESM sind unverletzlich.

3. Der deutsche Bundestag hat KEINE Möglichkeit, zweckwidrig eingesetzte Gelder des ESM zurück zu erlangen, denn die Mittel des ESM sind von jeder Form des Zugriffs befreit.

4. Keine Institution Deutschlands oder der EU hat irgendeine Möglichkeit, die Verwendung der vom ESM eingeforderten Gelder zu kontrollieren. Der Gouverneursrat hat die Möglichkeit durch Erhöhung des Stammkapitals Gelder in beliebiger Höhe aus den Haushalten der Mitgliedsstaaten abzuziehen und nach eigenem Gutdünken zu verwenden. Der ESM hebelt damit das Budgetrecht der nationalen Parlamente in umfassender Weise aus.

Bitte nennen Sie mir eventuelle Fehler in meinem Verständnis des ESM-Vertragstextes oder stimmen Sie, falls ich Recht haben sollte, gegen diese Ungeheuerlichkeit.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Florian Ehlers

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. Ehlers.

Was ist nun Ihre Frage?

Der deutsche Vertreter im Gouverneursrat des ESM ist nach dem Vertrag Mitglied der Bundesregierung mit Zuständigkeit für Finanzen. Selbstverständlich kann es von der Bundesregierung und vom Deutschen Bundestag hinsichtlich der in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Immunität genießt es nur insoweit vor der Gerichtsbarkeit. Der Deutsche Bundestag kann ihm und der Regierung deshalb beispielsweise das Vertrauen entziehen.
Der Deutsche Bundestag pflegt ohnehin Räume nicht zu kontrollieren. Die Bundesregierung kontrolliert über ihr Mitglied im Gouverneursrat die Verwendung der Gelder des ESM. Der Deutsche Bundestag kontrolliert die Bundesregierung. Und etwa ein Untersuchungsausschuß des Bundestages könnte auch Akten beiziehen und kontrollieren. Die Europäische Kommission wird im Benehmen mit IWF und EZB damit beauftragt, die Einhaltung von Auflagen, die im Zusammenhang mit Finanzhilfen gemacht wurden, zu überwachen.
Der Gouverneursrat kann das Stammkapital nur mit Zustimmung des deutschen Mitglieds erhöhen und über dessen Verwendung entscheiden. Der deutsche Vertreter darf nur zustimmen, wenn vorher die Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegt. So steht es im Gesetz. Eine Lücke sehe ich nur insoweit, als der Gouverneursrat auch bei Anwesenheit von zwei Drittel der Stimmrechte entscheiden kann.

Recht haben Sie insoweit, als der ESM erheblich in das Budgedrecht der Parlamente eingreift.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele